Vom Ei zum Embryo - die Menschwerdung im Großformat

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Von Beate Grübler

Zwölf menschliche Embryonen, davon der kleinste nur einen halben Millimeter lang, standen "Pate" für eine weltweit einzigartige Sammlung von Kunststoffmodellen.

64 solcher wissenschaftlichen Objekte bilden die "Humanembryologische Dokumentationssammlung Blechschmidt", die im Untergeschoß des Anatomischen Institutes der Universität Göttingen ausgestellt ist.

Jede der gezeigten Embryo-Nachbildungen ist 75 Zentimeter hoch; in chronologischer Reihenfolge läßt sich an ihnen die embryonale Entwicklung des Menschen von der Befruchtung bis zum Ende der achten Woche studieren.

Erich Blechschmidt widmete der Modellage 22 Jahre seines Lebens

Professor Erich Blechschmidt (1904 bis 1992) wollte seinen Studenten räumliche Eindrücke von der Anatomie vermitteln.

Er entwickelte ein kompliziertes Rekonstruktions-Verfahren und widmete der Modellage 22 Jahre seines Arbeitslebens - undenkbar in heutiger Zeit, wo sich dreidimensionale Entwürfe auf die Schnelle am Computer herstellen lassen.

Die Blechschmidt-Sammlung hat trotz ihres antiquiert anmutenden Charakters einen festen Platz im Göttinger Universitätsleben: Studenten machen sich hier mit den morphologischen Grundlagen der Menschwerdung vertraut; Wissenschaftler analysieren frühe Formbildungsprozesse; und Besucher, die sich zuvor telefonisch angemeldet haben müssen, können zum Beispiel die Lageveränderung der Niere während der Embryonalperiode nachvollziehen - alles bequem in Augenhöhe.

200 000 Einzelpräparate als Vorlagen für die Modelle

Für den Aufbau seiner Sammlung verwendete Erich Blechschmidt Embryonen, die etwa wegen Eileiterschwangerschaft abgetrieben werden mußten.

Daraus wurden histologische Schnitte von einem hundersten Millimeter Dicke angefertigt, insgesamt waren dies an die 200 000 Einzelpräparate.

Jeder einzelne Schnitt wurde gefärbt, fotografiert, abgezeichnet und vergrößert. "Die Zeichnungen mußten absolut korrekt angefertigt werden", erläuterte der Kurator der Sammlung, Dr. Wolfgang Seidl im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Der Grund: Die großformatigen Vorlagen übertrug man auf Wachsplatten und schnitt daraus die Organe und Umrisse aus.

Zeichnung, Wachsschicht, Form

Die Wachsschichten wurden dann - je besser die Zeichnung, umso paßgenauer - zusammengeklebt und dienten als Negativform.

In diese Form gossen die Präparatoren einen schnell härtenden Kunststoff, schmolzen sodann das Wachs ab und erhielten ihr plastisches Embryo-Modell.

Kurator Seidl spricht anerkennend von der Sisyphusarbeit der Blechschmidt’schen Abteilung: "Mit Hilfe der großen Modelle werden manche Zusammenhänge viel deutlicher, etwa wie sich der Aortenbogen entwickelt."

Für angehende Anatomen sind Besuche im Institutskeller deshalb ein Muß. Daran hätte auch Blechschmidt selbst seine Freude gehabt, meinte Seidl: "Denn das hier ist kein Museum, sondern eine Lehrmittelsammlung und als solche von bleibendem Wert."

Externe Besucher der "Humanembryologischen Dokumentationssammlung Blechschmidt" im Anatomischen Institut der Universität Göttingen müssen sich vorher telefonisch anmelden, und zwar unter: 0551/39-7000.

Erich Blechschmidt hat seine Forschungen in mehreren Werken dargelegt, die bekanntesten: "Vom Ei zum Embryo", "Die Erhaltung der Individualität. Fakten zur Humanembryologie" und "Wie beginnt das menschliche Leben?". Manche Bücher sind nur noch gebraucht erhältlich.

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