„Tag des Arztes“

Bleiben Sie an der Seite der Patienten!

Heute ist der „Tag des Arztes“. Seit 1933 soll er die oft im Verborgenen stattfindende Arbeit der Ärzte würdigen, die gerade in diesen Tagen alles andere als verborgen bleibt: Tatsächlich dürfte dieser Tage umso deutlicher werden, was die Bevölkerung an der medizinischen Versorgung hat und an denen, die sie leisten.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Dankbarkeit hat viele Gesichter: Ärzte und Pfleger in Madrid bedanken sich für den abendlichen Applaus der Bevölkerung.

Dankbarkeit hat viele Gesichter: Ärzte und Pfleger in Madrid bedanken sich für den abendlichen Applaus der Bevölkerung.

© Joaquin Corchero / picture alliance / AFP7

Anerkennung ist etwas Schönes. Und gerade in diesen Wochen erhalten Ärztinnen und Ärzte mehr davon, als vielleicht je zuvor. Weit diesseits manch schräger Kommentare der Arzt-Bewertungsportale oder von Attacken durch Patienten in der Notaufnahme werden Ärzte und medizinisches Personal derzeit fast frenetisch gefeiert. Aus dem Schatten der Corona-Krise treten nun Kolleginnen und Kollegen ins Rampenlicht, von denen die meisten Deutschen zuvor noch nie gehört haben dürften.

Christian Drosten zum Beispiel, Chef der Virologie an der Charité in Berlin. Er besteht auf die Ergebnisse redlicher Forschung, wenn er die Fragen der Zuhörer beantwortet. Und er tritt ihnen zugleich als Vater entgegen, der erklärt, wann er mit seinem Kind unter der Corona-Bedrohung noch zum Spielplatz ging und wann nicht. Wann immer das Gespräch auf die Corona-Krise kommt, fragt spätestens nach fünf Minuten einer: Habt ihr heute Drosten gehört? Und die meisten nicken.

Oder Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Institutes (RKI). Er ist der Herr der Zahlen und der offiziellen Einschätzungen. In regelmäßigen Abständen tritt er vor die Presse und sorgt für Transparenz. Seine Nachricht: Klarheit first.

„Die physische Belastung ist hart“

Aber man muss nicht nur die bekannten Köpfe würdigen, die die Gelegenheit haben, zu vielen Menschen zu sprechen. Auch jede Hausärztin und jeder Hausarzt muss derzeit mit der Flut verunsicherter Patienten umgehen und gleichzeitig die Versorgung in der Praxis umorganisieren.

Oder die Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern, die derzeit etwa in Italien oft unter höchstem persönlichem Einsatz für die Genesung ihrer Corona-Patienten arbeiten. „Die physische Belastung ist hart“, sagt Davide Chiumello vom Mailänder Hospital Paolo in einem Beitrag des ZDF. Er und seine Kollegen arbeiten unter physischem und psychischem Stress, berichtet er, „weil wir jetzt auch eine Reihe von Patienten behandeln, die relativ jung sind.“

Das Urbild des Arztes, der alles gibt, sogar sein Leben, dürfte aber Li Wenliang sein. Der chinesische Mediziner hat bereits im Dezember 2019 als erster auf das Virus hingewiesen. Er wurde deshalb verwarnt und musste sich sogar entschuldigen. Tragisch: Der junge Doktor starb schließlich an der Infektion. „Ich hoffe, er ist nicht umsonst gestorben“, sagte eine chinesische Passantin in die Kamera der Deutschen Welle. Wohl wahr.

Kurz: Was bei dem Terroranschlag 2001 die Feuerwehrleute in New York waren, sind nun die Pflegenden, die Ärztinnen und Ärzte geworden, die „jenseits der Erschöpfung ihren lebenswichtigen Dienst tun“, wie Bundespräsident Frank Walter Steinmeier kürzlich sagte.

Abendliche Haus-Konzerte und Standing Ovations für die Helfer

Ihnen allen flicht man heute ganz zu Recht Kränze. In der Tat treibt die Corona-Krise die Bevölkerung zu lautem Beifall und spontanen Haus-Konzerten zu Ehren derer, die die Schwerkranken versorgen. So geschehen zuerst in Italien, aber auch in deutschen Großstädten applaudierten ganze Straßenzüge zum Fenster hinaus, um sich bei Ärzten und Schwestern für ihren Einsatz zu bedanken. Tatsächlich dürfte dieser Tage umso deutlicher werden, was die Bevölkerung an der medizinischen Versorgung hat und denen, die sie leisten. Auch der Fußballtrainer des FC Liverpool, Jürgen Klopp und seine Mannschaft, dankte in einer Videobotschaft allen, die die Kranken versorgen. Standing Ovations auch von den Bundestagsabgeordneten. Und viele, viele andere tun es ihnen auf die eine oder andere Weise gleich.

Grund genug, den Tag des Arztes hervorzuheben, der heute, am 30. März vor allem in den USA begangen wird. Der Tag dürfe auch als Termin für den hiesigen Kalender taugen. Die US-Amerikanerin und Ehefrau eines Arztes, Eudora Brown Almond, hob den Ehrentag zum 30. März 1933 aus der Taufe. Inzwischen ist der Gedenktag in den USA offiziell anerkannt. Er soll die oft im Verborgenen stattfindende Arbeit der Ärztinnen und Ärzte würdigen. In diesem Jahr fällt der Tag mitten in eine riesige und ungewisse medizinische Herausforderung – und die Dankbarkeit von Kranken und Gesunden umso größer aus.

Offener Umgang mit der Ohnmacht

Aber es braucht zwei Einwände, um der Wahrheit die Ehre zu geben.

Erstens zeigt die Corona-Krise nicht nur, was die Medizinerinnen und die Mediziner und Pflegende können und tun. Sie zeigt auch überdeutlich, wie ohnmächtig sie alle im Zweifel sind. Auch, dass dies im Hinblick auf die Corona-Krise offen kommuniziert wird, macht derzeit den starken Auftritt der Medizin aus: Ihre Vertreter tun nicht so, als hätten sie irgendetwas im Griff. Corona grassiert und wird noch viele Menschen das Leben kosten. Rund um den Globus suchen Forscher nach Medikamenten für die Infizierten und nach Impfstoffen gegen die Krankheit. Und doch ist noch kein Präparat gefunden oder entwickelt worden. Das ist schwerlich ein Stoff für Helden-Epen. Und doch zieht ein Lothar Wieler seine Autorität auch daraus, dass er diese Grenzen der Forschung, der Medizin und der Mediziner stets benennt.

Wer also immer den Tag des Arztes und der Ärztin begehen möchte, tue das nicht, wegen einer scheinbar makellosen Bilanz der Medizin im Kampf gegen die weltweite Krankheit. Sondern weil Ärzte und Pflegende im Hinblick auf ihre eigenen Möglichkeiten ehrlich sind.

Zwischen Dankbarkeit und Demut

Zweitens ist es schädlich, sich allzu sehr auf Lob und Anerkennung anderer zu stützen. Denn wer das tut, hängt am Tropf derer, die über seiner Arbeit, Motivation, Person oder Berufsstand die Daumen heben. Denn die Freude darüber dauert nur so lange, bis der Daumen wieder sinkt. Gewiss – Anerkennung ist etwas Schönes. Und mancher Arzt wird anlässlich der zurzeit vielen Danksagungen seufzen: „Endlich!“ Aber solche Anerkennung sollte Ärztinnen und Ärzte gerade nicht dauerhaft auf ein Podest stellen. Nicht nur, dass es manchen dazu verführen könnte, sich dort oben ganz wohl zu fühlen (was niemandem dient). Sondern auch deshalb, weil es von dort oben schlecht arbeiten ist.

Also sollen Ärztinnen und Ärzte ihren Ehrentag genießen und die Lobeshymnen auf ihre Arbeit wertschätzen. Die Dankbarkeit ist echt und die Würdigung ist mehr als verdient. Wahr ist aber auch: Letztlich und nachhaltig hilft allen, die in der Krankenversorgung arbeiten, nur die Anerkennung, die sie sich selber geben können. Denn irgendwann sinkt der Daumen wieder, und dann braucht es selbstbewusste Ärzte und Pflegende, die wissen, wer sie sind, was sie können und was sie tun und was nicht. So ist es also ratsam, beizeiten wieder herabzusteigen vom Treppchen. So stehen Ärzte wieder da, wohin sie gehören: an der Seite der Patienten. Vielleicht ist Demut hier ein zu großes Wort. Vielleicht auch nicht.

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