Kassenfinanzen

1,5 Milliarden Minus bei den gesetzlichen Kassen

Das Defizit im Vorjahr interpretiert der Bundesgesundheitsminister als Erfolg seiner Politik: Rücklagenabbau zu Gunsten der GKV-Versicherten.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht: | aktualisiert:
Finanzreserven bei den Kassen müssen abgebaut werden – die Krankenkassen melden für das vergangenen Jahr ein Defizit.

Finanzreserven bei den Kassen müssen abgebaut werden – die Krankenkassen melden für das vergangenen Jahr ein Defizit.

© (c) picture-alliance / Bildagent

Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schreibt das Vorjahresdefizit der gesetzlichen Kassen von 1,515 Milliarden Euro ausschließlich dem Abbau von Rücklagen zu. Die „Ärzte Zeitung“ hatte vorab über die Finanzdaten für 2019 berichtet.

Anlässlich der Veröffentlichung der Finanzergebnisse in der GKV für 2019 erklärte Spahn, die Zahlen zeigten „in die richtige Richtung“. Beitragszahlen profitieren nach seiner Ansicht von niedrigeren Zusatzbeiträgen, da Kassen „endlich ihre übermäßig hohen Finanzreserven abbauen“. So wies allein die Techniker Kasse ein Minus von 472 Millionen Euro aus – die Kasse hatte Anfang 2019 den Zusatzbeitrag um 0,2 Punkte auf 0,7 Prozent gesenkt.

Ungleichmäßige Verteilung

Das Polster, das sich sehr ungleich über die Kassenlandschaft verteilt, belief sich Ende des Vorjahres auf 19,8 Milliarden Euro (2018: rund 21 Milliarden Euro). 2018 hatte die GKV das Jahr insgesamt noch mit einem Überschuss von etwa zwei Milliarden Euro abgeschlossen.

Das Vorjahr hat den Kassen einen im Vergleich zu 2018 deutlichen Ausgabenschub beschert. Sie stiegen um 5,2 Prozent auf 251,9 Milliarden Euro, die Zahl der Versicherten wuchs im gleichen Zeitraum um knapp 0,4 Prozent. 2018 war der Ausgabenanstieg mit 3,9 Prozent noch deutlich milder ausgefallen – einem 0,9 Prozent mehr Versicherten in der GKV.

Nur eine Kasse mit Überschuss

Alle Kassenarten rauschten im Vorjahr ins Minus, nur die Landwirtschaftliche Krankenversicherung wies einen Überschuss von 49 Millionen Euro aus (siehe nachfolgende Grafik). Die Ersatzkassen verbuchten – insbesondere wegen der Sondereffekte der TK – ein überdurchschnittlich hohes Minus von 859 Millionen Euro.

Nahe beieinander liegen Betriebskrankenkassen (minus 295 Millionen Euro) und Innungskassen (minus 231 Millionen Euro). Das IKK-Ergebnis dürfte mitgeprägt worden sein vom niedrigeren Zusatzbeitrag der IKK classic, der Anfang 2019 um 0,2 Punkte auf 15,6 Prozent gesenkt worden war. Ende 2019 verfügte die Kasse nach eigenen Angaben nach wie vor über Betriebsmittel und Rücklagen von rund einer Monatsausgabe.

Vergleichsweise geringe Defizite hat das AOK-System (121 Millionen Euro) und die Knappschaft (58 Millionen Euro) eingefahren.

Die Entwicklung der Arzneimittelausgaben wies mit 5,6 Prozent einen leicht überdurchschnittlichen Zuwachs aus. Deutlich unterdurchschnittlich dagegen legte mit vier Prozent das Honorar der Vertragsärzte zu. Gleiches gilt für die stationäre Behandlung als den größten Ausgabenposten, der um 3,9 Prozent wuchs.

15 Prozent mehr bei Heilmitteln

Politisch gewollt ist die Ausgabenexplosion um 15,1 Prozent bei Heilmitteln. Dort hatte die große Koalition Vergütungssteigerungen quasi verordnet, um die wirtschaftliche Situation von Physiotherapeuten, Ergotherapeuten & Co. zu verbessern. So gelten dort beispielsweise seit Mitte des Vorjahres bundeseinheitliche Preise auf Basis der jeweils höchsten im Bundesgebiet vereinbarten Preise für Heilmittelleistungen.

Unerwartet stark haben sich die Ausgaben für Krankengeld entwickelt. Sie sind seit zehn Jahren erstmals wieder zweistellig, und zwar um 10,1 Prozent gestiegen.

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