Einlagen, Hörgeräte & Co

700 Millionen Euro aus eigener Tasche für Hilfsmittel

700 Millionen Euro haben Versicherte 2019 für Einlagen, Prothesen oder Hörhilfen freiwillig zugezahlt. Das geht aus einem aktuellen Kassenbericht hervor. Die Autoren weisen auf ein anhaltendes Problem hin.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Für Hörhilfen zahlten Kassenpatienten besonders häufig zu.

Für Hörhilfen zahlten Kassenpatienten besonders häufig zu.

© phoenix021/stock.adobe.com

Berlin. Gesetzlich Krankenversicherte haben vergangenes Jahr für Hilfsmittel wie orthopädische Einlagen, Hörgeräte, Prothesen oder Sehhilfen knapp 700 Millionen Euro aus der eigenen Tasche dazu gezahlt. Das geht aus dem am Montag vorgelegten Mehrkostenbericht bei Hilfsmitteln des GKV-Spitzenverbandes hervor.

Demnach wurden Versicherte im Jahr 2019 in mehr als 29 Millionen Fällen mit Hilfsmitteln versorgt. Das Ausgabenvolumen belief sich auf rund 8,6 Milliarden Euro.

Hörgeräte als Mehrkosten-Hotspot

In 5,9 Millionen Fällen zapften die Versicherten eigene Geldreserven an. Gegenüber dem ersten Hilfsmittelbericht, der Angaben im zweiten Halbjahr 2018 auswertete, ist der Anteil der Hilfsmittelversorgungen mit Mehrkosten damit leicht auf 20 Prozent gestiegen. Damals lag er noch bei rund 18 Prozent.

Die durchschnittliche Höhe der angefallenen Mehrkosten lag 2019 bei knapp 118 Euro. Dabei ist die Bandbreite der gezahlten Mehrkosten außerordentlich groß (siehe nachfolgende Tabelle). Lag sie bei Hörhilfen mit Mehrkosten bei 1082 Euro, waren es bei Einlagen mit Mehrkosten 30 Euro und bei Toilettenhilfen mit Mehrkosten 39 Euro. Immerhin: 80 Prozent der Versicherten zahlten laut Bericht überhaupt nichts dazu.

Vor allem bei Hörgeräten entschieden sich gesetzlich Versicherte oftmals für eine Variante, die nicht komplett von der jeweiligen Krankenkasse bezahlt wird. 445 Millionen Euro – also knapp zwei Drittel der anfallenden Mehrkosten in 2019 – entfielen auf entsprechende Produkte.

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Leistungserbringer müssen aktiv informieren

Der Gesetzgeber hat Versicherten bei der Versorgung mit Hilfsmitteln die Möglichkeit eingeräumt, teurere Alternativen zu wählen. Allerdings müssen sie die Mehrkosten dann selbst tragen.

Seit 2017 müssen Hersteller, Sanitätshäuser, Apotheken oder orthopädische Schuster Versicherte zuerst über zuzahlungsfreie, das heißt voll kassenfinanzierte Hilfsmittel aufklären, bevor sie das höherpreisige Produkt feilbieten. Entsprechendes regelt das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG).

Ziel des seither vorzulegenden Mehrkostenberichts ist es, mehr Licht in die für Laien oft schwer zu durchschauenden freiwilligen Zuzahlungen bei Gesundheits- und Pflegehilfsmitteln zu bringen. Das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Kassen umfasst aktuell rund 32.500 einzelne Produkte. Der Katalog wird regelmäßig aktualisiert.

Teurer, aber auch besser?

Der stellvertretende Vorstandschef des GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer, räumte ein, dass es für Versicherte mitunter immer noch schwierig sei abzugrenzen, „was medizinisch notwendig ist und damit solidarisch finanziert wird, und dem, was mehr in den Bereich der Komfortleistungen gehört“.

Ein Paradebeispiel seien die Hörhilfen, sagte Kiefer. „Möglichst gutes Hören zu ermöglichen, wird von der Solidargemeinschaft finanziert. Der perfekte Klang für einen Opernbesuch ist hingegen eher eine Komfortleistung, für die dann Mehrkosten anfallen können.“

Jeder Versicherte habe das Recht auf eine mehrkostenfreie Versorgung auch mit Hörhilfen, unterstrich Kiefer. Aber: „Um eine gute Hörhilfe mit der individuell notwendigen Technik zu bekommen, sind keine Mehrkosten notwendig.“

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