Chef der Barmer GEK

Ärztenetze brauchen klar formulierte Ziele

Barmer GEK-Chef Dr. Christoph Straub setzt auf eine Kooperation mit ausgewählten Ärztenetzen, die keine butterweich formulierten, sondern sehr konkrete Vorstellungen über die Ziele ihrer Arbeit haben.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
"Ziel ist es, eine Eskalation der Krankheit zu verhindern und einen erhöhten stationären Versorgungsbedarf zu vermeiden", findet Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK.

"Ziel ist es, eine Eskalation der Krankheit zu verhindern und einen erhöhten stationären Versorgungsbedarf zu vermeiden", findet Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK.

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NEUSS. Ärztenetze können einen entscheidenden Beitrag zur besseren Versorgung von Risikopatienten leisten. "Es gibt einen begrenzten Teil von Patienten, die im heutigen System ohne Koordination nicht optimal versorgt werden", sagt der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Die Fokussierung der Netzarbeit ist aus seiner Sicht sinnvoll, weil das Regelsystem trotz seiner hohen Leistungsfähigkeit zu wenig koordinierende und vernetzende Elemente aufweist. Das betreffe vor allem ältere und multimorbide Patienten, sagt er.

Die Kooperation mit ausgewählten Ärztenetzen ist der Schwerpunkt in der Selektivvertrags-Strategie der Barmer GEK im vertragsärztlichen Bereich. Dabei hat die Kasse hohe Ansprüche an ihre Kooperationspartner.

"Es funktioniert auf Dauer nur, wenn man sich auf Basis guter, valider Daten und Fakten über Ziele verständigt", sagt Straub. Die Netzinitiative müsse von einer Gruppe von Ärzten nachhaltig getragen und vorangetrieben werden.

Kooperation mit Kliniken erwünscht

Der zuständige Fachbereich hat sämtliche Ärztenetze und Initiativen in Deutschland angesehen und daraus Kriterien für die Zusammenarbeit abgeleitet, berichtet er. Die regionalen Zusammenschlüsse sollen Hausärzte und Fachärzte einbeziehen und möglichst auch mit Kliniken kooperieren.

"Die Ärzte müssen eine klare Vorstellung haben, was sie mit der Versorgung im Netz erreichen wollen", erläutert Straub. Allgemein formulierte Ziele wie die bessere Patientenversorgung seien zu unscharf und keine tragfähige Basis für eine strukturierte Zusammenarbeit.

Eine Voraussetzung für die Kooperation mit der Barmer GEK ist die Bereitschaft der Netze, mit dem speziellen Zielkennzahlensystem BrAVo (Benchmarking regionale Arztnetz-Versorgung) zu arbeiten (siehe Kasten unten). Das System basiert auf den Leistungs- und Abrechnungsdaten der Kasse.

Speziell entwickelte Indikatoren erlauben den Vergleich der Versorgung durch Netzärzte und Nichtnetzärzte in der jeweiligen Region. "Wenn wir beispielsweise mit einem Arztnetz in Solingen zusammenarbeiten, dann sind die Vergleichsgruppe Patienten der Barmer GEK in Solingen", sagt Straub. "Diese intraregionale Vergleichsmöglichkeit macht die Sache interessant für die Ärzte und für uns."

Acht Verträge mit Ärztenetzen

Die Barmer GEK hat bislang Verträge mit acht Arztnetzen abgeschlossen: QuE in Nürnberg Nord, Praxisnetz Nürnberg Süd, Solimed in Solingen, das Ärztenetz Mittelbaden, ANSB Süd-Brandenburg, GMZ in München, MuM in Bünde und die Gesundheitsregion Siegerland.

Mit vier weiteren Netzen führt die Kasse zurzeit Vertragsgespräche. 13 Ärztenetze arbeiten darüber hinaus mit den BrAVo-Kennzahlen und erhalten auf Wunsch netzindividuelle Auswertungen.

Die Netze haben unterschiedliche Schwerpunkte, sagt der Barmer GEK-Chef. Dazu gehören etwa die optimierte Arzneimittelversorgung bei älteren Patienten oder die gezielte Zusammenarbeit an der Schnittstelle ambulant/stationär.

Zu Beginn der Netzbewegung seien die Initiativen darauf ausgerichtet gewesen, die Arzneimittelkosten zu senken oder die Zahl der Krankenhauseinweisungen. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass weder das eine noch das andere Ziel nachhaltig trägt, wenn es pauschal formuliert wurde."

Exakte Prognoseberechnungen

Der entscheidende Ansatz für die Netzarbeit ist für Straub die medizinisch und ökonomisch zielgerichtete und damit effizientere Versorgung von Risikopatienten.

Mithilfe genauer mathematisch-statistischer Methoden kann die Kasse Prognoseberechnungen für Patientenkollektive erstellen, die voraussichtlich von der intensivierten und koordinierten Versorgung im Netz besonders profitieren.

Diese Erkenntnisse werden mit den Ärztenetzen besprochen und interpretiert. "Ziel ist es, eine Eskalation der Krankheit zu verhindern und einen erhöhten stationären Versorgungsbedarf zu vermeiden", sagt der Arzt.

Das BrAVo-Kennzahlensystem

Für das Benchmarking der Ärztenetze arbeitet die Barmer GEK mit dem Kennzahlensystem BrAVo (Benchmarking regionale Arztnetz-Versorgung). Zu den dort erfassten Kennzahlen gehören die DMP-Einschreibequote, der Anteil nicht geklärter Verdachtsdia-gnosen, die Krankenhausbehandlungen von Versicherten mit Pflegestufe, der Anteil von Versicherten mit Arbeitsunfähigkeit bei bestimmten Dia-gnosen oder die Verordnungsquote bei einzelnen Arzneimitteln.

Bei der Vergütung der Ärztenetze setzt die Barmer GEK auf die Kombination von erfolgsunabhängigen und erfolgsabhängigen Elementen. Für die erfolgsabhängige Vergütung spielen dabei die Kennzahlen eine entscheidende Rolle.

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