Ärzte sollen impfen statt golfen

Ärzteverbände empört über Laumann-Spruch – Minister entschuldigt sich

Lieber Impfen als Golf zu spielen – mit dieser Forderung hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann den Zorn der Ärzteverbände auf sich gezogen. Jetzt hat er sich entschuldigt.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) im Landtag.

Hat die Ärzte verärgert: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) im Landtag.

© Marius Becker / dpa

Köln. Mit polemischer Kritik am Impftempo in den Hausarztpraxen hat der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) für großen Ärger bei den Ärzten gesorgt. Inzwischen bedauert der Minister seine Äußerungen und hat sich dafür entschuldigt.

Beim Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse hatte Laumann gefordert, dass die Hausärzte angesichts der Nachfrage nach Corona-Booster-Impfungen mehr impfen sollen. Schließlich hätten sie immer gesagt, dass sie das jetzt allein schaffen. Provozierend hatte der Minister gefordert: „Statt Golfplatz am Samstag Impfen am Samstag.“

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Die Reaktionen haben nicht auf sich warten lassen. „Im Ton vergriffen und fehl am Platze“, bezeichnet der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen am Mittwoch die Aussagen gegenüber der „Ärzte Zeitung“. „Die Arbeitsbelastung in den Praxen ist enorm. Die Kolleginnen und Kollegen sowie ihre Teams der Medizinischen Fachangestellten arbeiten seit Monaten am absoluten Limit. Da ist eine solche Aussage eines verantwortlichen Ministers wie ein Schlag in die Magengrube.“ Dies sei „unnötig, kontraproduktiv und alles andere als wertschätzend“.

„Populismus in Reinform“

„Auf dem Rücken der Praxen werden die zahlreichen Versäumnisse und hastigen Zick-Zack-Bewegungen der Politik ausgebadet“, kritisierte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister die Äußerung. „Da sind solche deplatzierten Äußerungen geeignet, das große Engagement der Niedergelassenen auszubremsen. Wir brauchen unsere Ärztinnen und Ärzte und ihre Teams, um den Impfturbo wieder schnell voranzubringen.“

„Das ist Populismus in Reinform“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) Dr. Dirk Spelmeyer am Mittwoch der „Ärzte Zeitung“. Die Äußerungen hätten ihn erschüttert, der Minister sei weit übers Ziel hinausgeschossen.

„Wir verzeichnen von Woche zu Woche und von Tag zu Tag einen massiven Zuwachs bei den Impfungen“, stellt Spelmeyer klar. Seit Anfang Oktober zeige die Tendenz nach oben. Der KVWL-Chef verweist darauf, dass es auch nach der Schließung der Impfzentren flankierend zu den Impfungen bei den Niedergelassenen immer auch mobile Impfungen gegeben hat. Zurzeit würden darüber hinaus auch lokale Impfstellen eingerichtet. „Die Ärzte dafür stellen wir bereit.“

„Ärzte und MFA gehen auf dem Zahnfleisch“

Spelmeyer warb dafür, den Praxen etwas mehr Zeit zu geben, damit sie die Booster-Impfungen sukzessive abarbeiten können, so wie es auch im Frühjahr und Sommer mit der Priorisierung gelaufen sei. „Man sollte keine Panik erzeugen, denn Panik schlägt um in Chaos.“

In Nordrhein-Westfalen impfen über 7000 Praxen Patienten gegen Corona, und zwar auch am Wochenende, berichtet der Vorsitzende der KV Nordrhein Dr. Frank Bergmann. „Dazu muss man die Ärzte nicht extra auffordern“, betont er. Die Zahl der Impfungen nehme zu, die Bestellungen gingen nach oben.

Die Praxen arbeiteten teilweise am Anschlag, berichtet Bergmann. „Die Ärztinnen und Ärzte und die MFA gehen auf dem Zahnfleisch.“ Sie in einer solchen Situation zu demotivieren statt zu motivieren sei nicht gerade hilfreich. „Diejenigen, die sich unermüdlich und mit Tatkraft für den Gesundheitsschutz der Menschen in Nordrhein-Westfalen einsetzen, verdienen mehr Respekt!“

„Mein Handicap ist schlecht, ich golfe nicht“

Bergmann kann nachvollziehen, dass die Politik zurzeit unter Druck steht und mehr Tempo ins Impfgeschehen bringen will. Trotzdem müsse man realistisch bleiben. „Es wird nicht möglich sein, halb NRW bis Weihnachten eine dritte Impfung zu geben“, sagt er.

„Diese Polemik hätte sich Minister Laumann sparen können“, findet der auch Vorsitzende des Hausärzteverbands Nordrhein Dr. Oliver Funken. „Schon wieder wird versucht, uns das politische Versagen in die Schuhe zu schieben.“ Persönlich mag er sich den Schuh ohnehin nicht anziehen. „Mein Handicap ist schlecht, ich golfe nicht.“

Es sei nicht so, dass die Kolleginnen und Kollegen impfunwillig seien, betont Funken. Die zunächst schleppende Bereitstellung des Impfstoffs und das Hin und Her bei den Vorgaben der STIKO machten die Umsetzung der Booster-Impfung nicht gerade leicht.

Der Verband propagiert schon länger das kooperative Impfen: Hausärzte sollen sich zusammenschließen und gemeinsam impfen. Das laufe jetzt an, man habe dafür frühzeitig die Voraussetzungen geschaffen und Konzepte entwickelt, sagt Funken. „Wir wussten, dass das politische Versagen für eine vierte Welle verantwortlich sein würde.“ Wichtig sei jetzt, dass die Kommunen den Ärzten die entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.

Menschen lieber beruhigen

Funken geht davon aus, dass die Anhebung der Vergütung für die Corona-Impfungen die Motivation weiter erhöhen wird. „36 Euro für das Impfen am Wochenende sind ein attraktives Angebot.“

Anke Richter-Scheer, die Vorsitzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe, sieht die Äußerungen des Ministers gelassen. Auch er stehe schließlich unter Druck, sagt sie.

Die Hausärzte seien aber eindeutig nicht schuld an der aktuellen Situation. Sie selbst hat gerade erst in ihrer Praxis an einem Tag 600 Patienten gegen Corona geimpft. „Ich habe zeitlich befristet MFA und pensionierte Ärzte angestellt“, berichtet die Verbandsvorsitzende. Die Nachfrage nach Impfungen sei zurzeit sehr groß.

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Verantwortlich für die aktuelle Situation sind aus ihrer Sicht eher die ständig wechselnden Vorgaben und das Hin und Her bei der STIKO. Richter-Scheer hält es für sinnvoll, wenn die klare Botschaft transportiert würde, dass sich jeder über 18 Jahren nach mindestens sechs Monaten eine Booster-Impfung holen kann. „Dann wären die Menschen beruhigt.“ Nicht vergessen dürfe man auch die aktuelle Belastung der Praxen durch die Welle an heftigen und langwierigen Infektionen.

Minister Laumann hat inzwischen auf die Kritik an seinen Äußerungen reagiert. „Für mich steht außer Frage: Die Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten tagtäglich Großartiges und haben den entscheidenden Anteil an der Pandemiebekämpfung“, stellt er klar. Dafür gebührten ihnen Dank und Respekt.

Sein Vergleich mit dem Golfplatz habe zu Irritationen geführt. „Das bedauere ich sehr und dafür entschuldige ich mich.“ Es sei kein kluger Vergleich gewesen, räumt der Minister ein. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass es mir fernliegt, diejenigen zu verärgern, ohne deren Einsatz die Pandemie nicht zu bewältigen ist.“ (Mitarbeit: nös/hom)

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