Parteitag beschließt Konzept
AfD gegen DRG und Budgets, für Wettbewerb von GKV und PKV
Nach jahrelangem internen Streit gibt sich die Partei ein Sozialprogramm. In GKV und Pflege schnitzt die AfD sich ein Konzept – mal dominiert Wettbewerb, mal Daseinsvorsorge.
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Die AfD ist am Wochenende zu einem schon im Vorfeld umstrittenen Präsensparteitag in Kalkar zusammengekommen. Dort beschloss sie ein sozialpolitisches Konzept – im Bild die beiden Sprecher Jörg Meuthen (l.) und Tino Chrupalla.
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Kalkar/Berlin. Die AfD hat ihr Programm um ein sozialpolitisches Konzept ergänzt und damit vor der Bundestagswahl eine inhaltliche Lücke geschlossen. Der Bundesparteitag in Kalkar verabschiedete am Samstag einen Antrag mit Leitlinien zur Gesundheits-, Renten- und Pflegepolitik. Etwa 89 Prozent der rund 500 Delegierten stimmten für das Konzept.
In seinem gesundheitspolitischen Teil verzichtet die Partei auf die Darlegung eines in sich geschlossenen Reformkonzepts, sondern benennt einzelne strukturelle und organisatorische Regelungsvorhaben:
Erhalt der Dualität von GKV und PKV: Beide Versicherungssysteme sollten „stabilisiert“ werden, heißt es in dem Papier. Darin wird der Wettbewerb von GKV und PKV um Versicherte mit einem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze – aktuell 62 .550 Euro pro Jahr – als „sinnvoll“ bezeichnet. Ohne Wettbewerb, so die Begründung, bestehe die Gefahr, dass das Leistungsangebot der GKV „nach unten angepasst“ wird.
Neuorganisation des Prüfwesens: Der Medizinische Dienst soll in einen „Medizinischen Dienst im Gesundheitswesen“ umgeformt werden. Dieser neue MDG solle unabhängig von Kostenträgern und Leistungserbringern sein. Nötig dafür sei eine organisatorische Selbstständigkeit sowie die paritätische Finanzierung, Organisation und Verwaltung durch Kassen und Leistungserbringer.
Abschaffung der Budgetierung: Die Aufhebung der Budgetierung und die Einführung einer Einzelleistungsvergütung in der GKV sind nach Ansicht der AfD die richtigen Antworten auf den wachsenden Behandlungsbedarf in der alternden Gesellschaft sowie die „unzumutbar langen Wartezeiten“ für Patienten. Um einer nicht-medizinisch begründeten Leistungsausweitung entgegenzuwirken, schlägt die Partei „gleitende Bonussysteme“ vor, die mit „gestaffelten Beitrags-Rückvergütungen“ einhergehen sollen.
Weiterhin sollen Zielvereinbarungen von Kassen und KVen die „Überversorgung“ bei Arzneimitteln „beseitigen“. Hinsichtlich weiterer Kostendämpfungsschritte bleibt die AfD vage. Ein finanzieller Mehrbedarf solle durch „stufenweise Übergangsregelungen“ aufgefangen werden.
Stationäre Versorgung: Das DRG-System soll abgeschafft werden zu Gunsten individueller Vereinbarungen von Kassen und Kliniken. Dabei sollen folgende Kriterien berücksichtigt werden: die Leistungen des Krankenhauses, die Prüfergebnisse des MDG, den Versorgungsbedarf der Bevölkerung und die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses“.
Die AfD fordert, Kliniken auf dem Land im Sinne einer flächendeckenden Versorgung zu erhalten. Der „objektive Bedarf“ und nicht Kosten-Nutzen-Aspekte sollten dabei leitend sein. Die Privatisierung von Krankenhäusern und Pflegeheimen will die Partei begrenzen, diese Infrastruktur müsse „primär Aufgabe der öffentlichen Hand“ sein.
Arzneimittelversorgung: In dem Papier werden Lieferengpässe und „Versorgungslücken“ als Ergebnis „systembedingter Fehlentwicklungen“ ausgemacht. Daher solle die Importquote bei Arzneimitteln für Apotheken „ersatzlos“ gestrichen werden. Bei versorgungsrelevanten Medikamenten soll der Großhandel verpflichtet werden, mindestens einen „Zweimonatsbedarf“ vorrätig zu halten. Rabattverträge will die Partei abschaffen, da sie Herstellermonopole mitverursachten, heißt es.
Die Ausweitung des Festbetragsmarkts, die Streichung der freien Preisbildung im ersten Jahr nach Zulassung neuer Arzneimittel und „Anpassungen“ bei den Herstellerrabatten sollen eine Gegenfinanzierung ermöglichen. Das gilt auch durch die geforderte Senkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent.
Pflegeversicherung: Soziale Pflegeversicherung und GKV sollten nach Ansicht der AfD zusammengelegt werden, „auch um Schnittstellenprobleme“ zu beheben. Durch einen Steuerzuschuss sollten die Eigenanteile der Pflegebedürftigen um die Hälfte gesenkt werden.
Ambulante und stationäre Pflege: Examinierte Pflegekräfte sollen über einen Flächentarifvertrag bezahlt werden, der steuerfreie Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge vorsieht. Pflegekräfte sollten von Dokumentationspflichten entlastet werden, eine verbindliche, bundeseinheitliche Personalbemessung soll mit Personaluntergrenzen einhergehen.
Pflegekammern mit Zwangsmitgliedschaft lehnt die Partei ab, da sie „keinen Mehrwert“ für die Pflegekräfte hätten. Die weitgehende Angleichung des Pflegegeldes an die Pflegesachleistungen soll die häusliche Pflege fördern und Angehörige unterstützen.