Pharmaindustrie
Arzneiproduktion: Forderungen nach weniger Abhängigkeit von Fernost
Die Corona-Krise legt Schwächen offen bei der Beschaffung bestimmter Arzneien. BÄK-Präsident Reinhardt und Wirtschaftsminister Altmaier wollen gegensteuern.
Veröffentlicht:Berlin. Ärztepräsident Klaus Reinhardt fordert als eine Lehre aus der Corona-Krise mehr europäische Eigenständigkeit bei der Herstellung von medizinischer Schutzausrüstung und Arzneimitteln. „Deutschland und Europa müssen bei Schutzausrüstung und Medikamenten die Abhängigkeit von Fernost deutlich reduzieren und eigene Produktionsstätten fördern“, sagte Reinhardt der „Passauer Neuen Presse“. Zudem forderte er, Krankenhäusern solle „das Vorhalten von Personal und Technik finanziert werden“. „Kliniken sind Einrichtungen der Daseinsfürsorge und keine Industriebetriebe, die sich ausschließlich an Rentabilitätszahlen ausrichten.“
Der Präsident der Bundesärztekammer sagte zugleich, das deutsche Gesundheitssystem sei „mit dieser Pandemie im internationalen Vergleich mit am besten fertig geworden“ – einen Komplettumbau halte er deshalb für unnötig und sogar schädlich.
Reinhardt hält es für „sehr wahrscheinlich, dass wir eine zweite Welle der Corona-Pandemie erleben werden, weil wir keine ausreichende Immunität in der Bevölkerung haben“. „Wir sollten jetzt diese Phase nutzen, um uns so gut wie möglich darauf vorzubereiten.“
Sensible Bereiche sollten nationaler Souveränität unterliegen
Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will sich auf EU-Ebene für ein gemeinsames europäisches Projekt zur Arzneimittelproduktion einsetzen. Der CDU-Politiker sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es ist keine gute Idee, die Globalisierung zurückzudrehen, aber es ist die richtige Idee, einseitige Abhängigkeiten zu minimieren und in sensiblen Bereichen die nationale Souveränität zu behaupten oder wiederzugewinnen.“
Altmaier sagte, er habe deshalb bereits zwei Initiativen bei der Halbleiterproduktion und Batteriezellenherstellung gemeinsam mit verschiedenen europäischen Partnern aufs Gleis gesetzt. „Ich kann mir auch gut ein gemeinsames europäisches Projekt für die Arzneimittelproduktion vorstellen. Auch hieran arbeiten wir bereits.“
Viele Wirkstoffe für Arzneien werden aus Kostengründen in Fernost hergestellt – etwa für Antibiotika in China und Indien. Die Bundesregierung hatte bereits den Ausbau der Produktion medizinischer Schutzausrüstungen in Deutschland vorangetrieben, um unabhängiger zu werden. (dpa)