Bahr: "Die Praxisgebühr ist ein Ärgernis"

Gesundheitsminister Daniel Bahr lässt nicht locker: Trotz des Widerstands der Union beharrt er auf Aufschaffung der Praxisgebührt. In Erfurt kündigte er außerdem an, die Klinikausgaben genauer unter die Lupe zu nehmen.

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
Zehn Euro für das oben genannte Quartal - bald nicht mehr?

Zehn Euro für das oben genannte Quartal - bald nicht mehr?

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ERFURT. Die Abschaffung der Praxisgebühr ist für Daniel Bahr (FDP) noch nicht vom Tisch. "Die Praxisgebühr ist ein Ärgernis für viele Patienten", beharrte der Bundesgesundheitsminister am Freitag beim Treffen der FDP-Gesundheitspolitiker der Länder in Erfurt.

Das Milliardenpolster im Gesundheitsfonds erlaube es, den Versicherten die Gebühr zu ersparen.

In dieser Woche soll davon im Koalitionsausschuss auch die CDU überzeugt werden. Begehrlichkeiten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der seinen Haushalt mit den Kassenmilliarden sanieren will, wehrte er ab.

Das Geld müsse im Gesundheitssystem bleiben und den Patienten zu Gute kommen, sagte Bahr in Erfurt.

Eine Abfuhr erteilte Bahr auch Überlegungen, die Kostenbremse bei den Arzneimitteln zu lockern. "Das Arzneimittel-Neuordnungs-Gesetz (AMNOG) wird nicht aufgeweicht. Ich halte es für ein sehr erfolgreiches Gesetz", sagte er.

Gutachten zu Klinikfinanzen

Es werde zwar minimale Änderungen geben. "Ich werde allerdings keine Regelung unterstützen, die zu Kostensteigerungen führt", so Bahr.

Der FDP-Politiker braucht derzeit jeden Euro für das Ausgabenwachstum und die Finanzierung der Tarifsteigerungen in Krankenhäusern. Die Fallzahlen kennen nur eine Richtung: nach oben.

Erstmals habe die Vergütung in Kliniken im vergangenen Jahr die Schallmauer von 60 Milliarden Euro durchbrochen. Vorhaltungen, er wolle Senioren nun Operationen an Hüfte und Knien vorenthalten, wies er vehement zurück.

"Ich werde dafür sorgen, dass die Deutschen weiter bekommen, was sie brauchen", betonte Bahr. Niemand werde eine "notwendige Op" untersagen.

Allerdings, was heißt notwendig? "Es gibt den Vorwurf, dass Fallzahlsteigerungen nicht immer medizinisch, sondern ökonomisch begründet sind", so Bahr.

Kein Zwang zur Allgemeinmedizin

Sein Haus habe dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es müsse für die Kliniken stärkere Anreize geben, mit den Ressourcen sparsamer umzugehen, sagte Bahr.

Seine Devise: Qualität statt Quantität honorieren. Wie er dies erreichen will, ließ er allerdings offen.

Der Ärztemangel, in Thüringen vor allem bei den Hausärzten, spielte bei seinem Besuch nur eine Nebenrolle. Bahr sieht seine Hausaufgaben als erledigt an. Seit Jahresbeginn gilt das Versorgungsstrukturgesetz, das es den Ländern ermöglicht, stärker regional zu entscheiden.

"Diese Möglichkeiten müssen die Länder auch ausschöpfen", forderte Bahr. Thüringen müsse beispielsweise endlich die gesetzliche Grundlage zur Bildung eines Landesausschusses schaffen, forderte der FDP-Gesundheitspolitiker Marian Koppe. Ziel ist eine kleinräumigere Bedarfsplanung.

Den Vorschlag der Länder, Medizinstudenten im Praktischen Jahr ein Pflichtquartal in der Allgemeinmedizin vorzuschreiben, lehnte Bahr ab. "Mit Zwang kann man niemanden in die Allgemeinmedizin locken."

Man solle das einzige Wahltertial erhalten, damit Nachwuchsmediziner selbst erforschen können, in welche Fachrichtung sie gehen wollen.

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Kommentare
Dr. Uwe Wolfgang Popert 05.05.201219:34 Uhr

Pflichtquartal Allgemeinmedizin ist notwendig

Herr Bahr sollte über einige seiner Argumente noch mal etwas nachdenken. Natürlich braucht man niemanden zu überzeugen, der es schon ist. Und man soll auch niemanden zu seinem Glück zwingen. Das ist aber auch gar nicht die Problemstellung!
•Es ist nicht nachvollziehbar, warum Studenten zwar ein 3-monatiges Krankenpflege-Praktikum ableisten müssen, aber während des gesamten Studiums keine adäquaten Erfahrungen in dem Sektor des Gesundheitswesens machen müssen, in dem die Mehrzahl der Patienten versorgt wird.
•Die stationäre Versorgung in internistischen bzw. chirurgischen Abteilungen deckt nur einen geringen Teil der großen Bandbreite der realen Beratungs- und Behandlungsanlässe ab.
•Deswegen soll gerade bei denjenigen, die später in anderen Versorgungsbereichen arbeiten werden, ein Verständnis für die Primärversorgung erzeugt werden.
•Damit soll natürlich auch die zukünftige Basisversorgung gesichert werden - in den nächsten 10 Jahren werden voraussichtlich mehr als die Hälfte der jetzigen Hausärzte in den Ruhestand treten. Wie soll man denn über etwas urteilen, was man gar nicht kennt?
(Die Mehrzahl der Kliniker dürften jedenfalls nie in der Praxis gearbeitet haben - und eine Privatsprechstunde entsprechend mit der Versorgungsrealität verwechseln)

Dr. Thomas Georg Schätzler 05.05.201211:57 Uhr

FDP-Wahlkrampf?

Ausgerechnet die Partei, die mit dem jetzigen Wirtschaftsminister und Parteivorsitzenden, Dr. med. Philipp Rösler, auf Biegen und Brechen in der schwarz-gelben Koalition mit einer "Kopfpauschale" die GKV-Finanzierung revolutionieren wollte, mutiert jetzt zum "Anwalt der kleinen Leute"?

Einen Schwenk von der berüchtigten Kopfpauschale mit mtl. 250 € GKV-Einheitsbeitrag, also 25 % Beitrag von 1.000 € SV-Brutto und nur noch 5 % Beitrag von 5.000 € SV-Brutto Monatseinkommen, zur vollständigen Abschaffung der Praxisgebühr zu vollführen, ist ein mehr als durchsichtiges Wahlkampfmanöver.

Und dirigistische Staatseingriffe in den Arzneimittelmarkt, ins Krankenhausfinanzierungswesen und in die hausärztliche Niederlassung passen, auch wenn sie im Einzelnen sinnvoll, notwendig und umsetzbar sind, so gar nicht in ein stramm marktwirtschaftliches, von freiem Unternehmertum und Liberalität geprägtes FDP-Grundsatzprogramm. Es sieht so aus, als müsse die FDP sich abschaffen, um sich gleichsam selbst neu zu erfinden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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