Nordrhein-Westfalen

„Bei diesen Inzidenzzahlen ist Karneval nicht vorstellbar“

NRW-Gesundheitsminister Laumann hält Entscheidungen zur kommenden Fastnachtssaison zwar für verfrüht, äußert aber in der aktuellen Lage Vorbehalte.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, informiert am Mittwoch über den aktuellen Stand der Coronavirus-Testungen in Nordrhein-Westfalen.

Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, informiert am Mittwoch über den aktuellen Stand der Coronavirus-Testungen in Nordrhein-Westfalen.

© Federico Gambarini/dpa

Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht keine Notwendigkeit, bereits jetzt Entscheidungen darüber zu fällen, ob und in welcher Form der nächste Karneval stattfinden kann. Man solle noch zwei, drei Wochen abwarten, sagte Laumann vor Journalisten in Düsseldorf. Eines steht für ihn aber fest: „Mit den jetzigen Inzidenzzahlen kann ich mir Karneval nicht vorstellen.“

Medienberichte, nach denen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die kommende Karnevalssession in Frage stellt, haben in Karnevalshochburgen wie Düsseldorf und Köln für Aufregung gesorgt. Spahns CDU-Parteikollege Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, hat im Gespräch mit dem Radiosender WDR2 bestätigt, dass die Frage Thema bei einer Telefonkonferenz des Gesundheitsausschusses des Bundestages war. Spahn habe den Mitgliedern gesagt, dass er sich das Zusammenkommen großer Menschenmengen zum Karnevalsauftakt am 11. November nicht vorstellen könne, berichtete Henke, selbst Mitglied im Gesundheitsausschuss.

Inzidenzzahlen nach Reisesaison abwarten

Die Diskussion sei nicht neu, sagte Laumann. Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) habe bereits vor den Sommerferien ähnlich argumentiert. Wichtig ist nach Meinung Laumanns, dass eine Entscheidung gemeinsam mit den Karnevalsvereinen gefällt wird. Zuvor solle man aber abwarten, wie sich das Ende der Reisesaison auf die Inzidenzzahlen auswirkt, schlug er vor.

Bislang sind im bevölkerungsreichsten Bundesland 58.475 Menschen auf COVID-19 getestet worden, die aus Risikogebieten zurückgekehrt sind. Bei 2,1 Prozent waren die Tests positiv.

Auf Vernunft statt Regeln setzen

Reiserückkehrer sind nach Angaben Laumanns für rund ein Viertel der Infektionen verantwortlich. Mit rund einem Drittel entfalle der Großteil auf das private Umfeld. „Nur sechs Prozent gehen auf Veranstaltungen zurück.“ Dazu gehören Sport- und Kulturveranstaltungen sowie private Feiern in Gaststätten.

Von der Forderung des Marburger Bundes, bundeseinheitliche Regeln für private Feiern auf den Weg zu bringen, hält der Landesgesundheitsminister nichts. Man müsse an die Vernunft und Disziplin der Menschen appellieren, sich an die Regeln zu halten. „Wir sind aber nicht an einem Punkt, wo wir als Staat in die Privatwohnungen reinregieren müssen“, betonte er.

Die Entscheidung über Einschränkungen für die Bevölkerung müsse sich immer daran orientieren, eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern, sagte Laumann. Der Anstieg der Infektionszahlen habe bislang kaum Auswirkungen auf die Zahl der Fälle in den Krankenhäusern.

Deutlich mehr Corona-Tests

Die Zahl der Corona-Tests ist in NRW deutlich ausgeweitet worden. Vor der Sommerpause hat es rund 80.000 Testungen gegeben, in der vergangenen Woche mehr als 223.000. Ein Teil entfällt auf Lehrerinnen und Lehrer sowie auf das Personal von Kindertageseinrichtungen. Sie können sich bis zum Beginn der Herbstferien alle zwei Wochen freiwillig testen lassen. Beim Lehrpersonal liegt die Zahl der positiven Fälle bislang bei 0,3 Prozent, in den Kitas sind es 0,4 Prozent. Laumann sieht keinen Grund für verpflichtende Tests für diese Personengruppe. Ein solcher Zwang wäre angesichts der Infektionszahlen unverhältnismäßig.

Die Test-Kapazität in NRW bezifferte Laumann mit 270.000 pro Woche. „Mit der Technik, die uns heute zur Verfügung steht, sind wir langsam an der Grenze dessen, was man leisten kann.“

Stichproben bei Reiserückkehrern

Das schwarz-gelbe Kabinett in Düsseldorf werde kommenden Dienstag über die Fortschreibung der Corona-Verordnung entscheiden, kündigte Laumann an. Klar ist für ihn: „Was wir an Maßnahmen haben, muss stärker kontrolliert werden.“ Für sinnvoll hält er Stichproben bei Reiserückkehrern, um zu sehen, ob sie sich testen lassen oder in Quarantäne begeben. Auch das Bußgeld bei Verstößen gegen die Maskenpflicht sei notwendig. Die Gesundheitsämter müssten personell so gestärkt werden, dass sie Infektionsketten zurückverfolgen können.

Solche Maßnahmen sowie die Solidarität der Bevölkerung seien notwendig, um einen zweiten Lockdown zu verhindern. „Das würden wir wirtschaftlich nicht überstehen.“

Bei der Sitzung des Kabinetts wird es auch um die Frage gehen, ob öffentliche Veranstaltungen in NRW auf eine bestimmte Personenzahl begrenzt werden, was bislang nicht der Fall ist. „Als Gesundheitsminister will ich eine Obergrenze.“ Ihre Höhe werde die Landesregierung festlegen.

Bei allem Handlungsbedarf: In Nordrhein-Westfalen sei man von „Alarmstufe rot“ noch weit entfernt, stellte Laumann klar. „Es ist keine Sorglosigkeit angesagt, aber auch keine Panik.“

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