Baden-Württemberg

Bereitschaftsdienst-Reform: Geringfügig weniger Arztzeit, anhaltende Kritik

Die Reform des Bereitschaftsdienstes in Baden-Württemberg ist seit Monaten ein Dauerthema in der Landespolitik. Die SPD-Opposition bemängelt Fehlentwicklungen, die Landes-KV verweist auf eine bedarfsgerechte Versorgung.

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Die Schließung von Bereitschaftspraxen in Baden-Württemberg sind seit Monaten Gegenstand kontroverser Debatten. Die SPD im Landtag moniert Fehlentwicklungen, die KV Baden-Württemberg widerspricht dem.

Die Schließung von Bereitschaftspraxen in Baden-Württemberg sind seit Monaten Gegenstand kontroverser Debatten. Die SPD im Landtag moniert Fehlentwicklungen, die KV Baden-Württemberg widerspricht dem.

© dpa

Stuttgart. In Baden-Württemberg werden noch bis November landesweit 18 Bereitschaftspraxen der KV Baden-Württemberg geschlossen – ein Vorgang, der seit Monaten in der Landespolitik erregt diskutiert worden ist.

Die KVBW hat stets argumentiert, es finde eine bedarfsgerechte Versorgung statt, bei der 95 Prozent der Bevölkerung binnen 30 Fahrminuten eine Bereitschaftspraxis erreichen können. Im Zentrum müsse die Stabilisierung der ambulanten Regelversorgung stehen. Dennoch wurde in einer teils schrillen Debatte geargwöhnt, ganze Regionen könnten von der ambulanten Versorgung außerhalb der Sprechzeiten abgekoppelt werden.

Nach der Antwort des Sozialministeriums auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag ergeben sich dafür kaum Hinweise: Danach wird sich durch die Konzentration der Standorte die Zahl der zu leistenden Bereitschaftsdienste vor und nach der Reform nur marginal verändern: Ausgehend von 55.577 Diensten im Jahr 2024 wird ihre Zahl leicht auf 55.246 im kommenden Jahr abnehmen.

Etwas deutlicher fällt den Angaben zufolge der Rückgang bei den insgesamt zu leistenden Arztstunden im Bereitschaftsdienst aus, und zwar von 632.971 Stunden (2024) und 602.803 Stunden im kommenden Jahr.

Diese Zahlen erklären sich unter anderem daraus, dass die KVBW im Rahmen ihres Standort-, Struktur- und Schließkonzepts Auffangpraxen definiert hat, die Patienten aus geschlossenen Standorten versorgen sollen. Diese Praxen sind personell entsprechend aufgerüstet worden. Hinzu kämen pro Monat etwa 1.300 telemedizinische Beratungen im Rahmen des Bereitschaftsdienstes.

KVBW: Kein Anstieg der Patientenzahl in Notaufnahmen

In der Antwort des Sozialministeriums heißt es weiter, der KVBW sei nach dem Start der Reform kein signifikanter Anstieg bei den Patientenzahlen in Notaufnahmen gemeldet worden. Gleiches gelte für die Anrufe bei der 112 in den Rettungsleitstellen, wird berichtet.

Dennoch bewertet die oppositionelle SPD im Landtag die Strukturreform der KV weitgehend als eine Fehlentwicklung. „Viele Regionen in Baden-Württemberg haben an den Abenden von Montag bis Freitag keine geöffnete Notfallpraxis“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Florian Wahl, der Ärzte Zeitung.

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Nur 26 der 57 im Jahr 2026 verbleibenden Bereitschaftspraxen seien an jedem Wochentag geöffnet, moniert er. Das Versprechen, 95 Prozent der Bevölkerung könnten in 30 Minuten eine solche Praxis erreichen, „gilt damit nur am Wochenende“.

KVBW-Vorstandsvize Dr. Doris Reinhardt kann mit diesen Vorhaltungen wenig anfangen: „Die SPD hat von Anfang an unsere Reform torpediert, hat bislang aber keine eigenen Vorschläge vorgelegt, wie wir auf die sich immer mehr zuspitzenden Situation in der Regelversorgung reagieren können“, sagt sie der Ärzte Zeitung.

Verbesserte Erreichbarkeit der 116 117

Die Struktur der Bereitschaftspraxen orientiere sich am Bedarf, betont sie. Unter der Woche – am Montag, Dienstag und Donnerstag – seien die Arztpraxen bis 18 Uhr geöffnet. „Der Bereitschaftsdienst ist nur für die Fälle zuständig, die danach akut auftreten und nicht bis zum nächsten Tag warten können“, erläutert Reinhardt. Zudem gebe es unter der Woche den Hausbesuchsdienst ebenso wie das Telemedizinangebot.

Unterschiedlich fällt bei SPD und KV auch die Bewertung der Erreichbarkeit der 116117 aus. Der Landtagsabgeordnete Wahl sieht hier zwar eine Verbesserung. „Aber ein Ruhmesblatt sieht anders aus.“ Denn etwa jeder vierte verbundene Anrufer warte über zehn Minuten in der Leitung, bis sein Anruf angenommen wird. Und mehr als jeder dritte Anrufer resignier wegen der Wartezeit und breche den Anruf ab, moniert er.

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„Schade, dass die SPD die Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der 116 117 nicht anerkennt“, kommentiert KVBW-Vize Reinhardt. Denn die Erreichbarkeit der Nummer habe sich wesentlich verbessert, die Ressourcen seien ausgeweitet worden.

Ab November will die KVBW ihre digitale Versorgungsplattform starten. „Wir schaffen hier einen digitalen Zugang zur Telemedizin und können damit das Angebot noch einmal ausweiten“, erläutert Doris Reinhardt. Man wolle Patienten auf diesem Wege Hilfestellung und einen unkomplizierten Weg zu einer telemedizinischen Versorgung anbieten.

Im November starte zunächst eine „Basisversion“ der Plattform, die unter anderem Videosprechstunde und Terminvermittlung umfasst. Die erweiterte Ausbaustufe solle dann beispielsweise eine mobile App, das eRezept oder elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen anbieten, berichtet das Sozialministerium. (fst)

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