Infektionsschutzgesetz

Bundes-Notbremse: Kinderärzte warnen vor erneuten Schulschließungen

Bei hohen SARS-CoV-2-Infektionszahlen sollen Schulen erneut auf Distanzunterricht umstellen. So sieht es die geplante Bundes-Notbremse vor. Doch es hagelt Kritik – auch von Kinder- und Jugendärzten.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Sollen Schulen auch bei hohen Inzidenzzahlen geöffnet bleiben? Kinderärzte sagen ja, aber die Meinungen gehen bei diesem Thema weit auseinander.

Sollen Schulen auch bei hohen Inzidenzzahlen geöffnet bleiben? Kinderärzte sagen ja, aber die Meinungen gehen bei diesem Thema weit auseinander.

© Oksana Kuzmina / stock.adobe.com

Berlin. Ärzte haben vor erneuten flächendeckenden Schließungen von Schulen in der Corona-Pandemie gewarnt. „Wir können Kinder und Jugendliche nicht ständig von einem in den nächsten Bildungs-Lockdown schicken. Seelische und körperliche Nebenwirkungen fehlender sozialer Kontakte und mangelnder Bewegungsmöglichkeiten sind schon jetzt zu spüren“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, der „Ärzte Zeitung“ am Montag.

Die Koalition wollte das Infektionsschutzgesetz (IfSG) urpsrünglich dahingehend modifizieren, dass Schulen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 schließen sollen. Am Montag wurde bekannt, dass sich Union und SPD darauf verständigt haben, dass Schulen bereits ab einer Inzidenz von 165 auf Distanzunterricht umstellen sollen. Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte am Montag eine bundesweite Inzidenz von 165,3 gemeldet.

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BVKJ-Chef Fischbach betonte mit Blick auf die Schulschließungen: „Wir haben seit geraumer Zeit gute Instrumente, wie wir Schulen sicher offenhalten können.“ Er verwies unter anderem auf die Anfang Februar veröffentlichte AWMF-S3-Leitlinie. Darin seien konkrete Maßnahmen zu Prävention und Kontrolle einer SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen beschrieben worden.

„Instrumentenkasten anwenden!“

„Quintessenz der Leitlinie ist, dass Schulen geöffnet werden können und auch geöffnet bleiben können, sofern dort mehrere Schutzmaßnahmen parallel greifen und diese von Lehrern, Eltern wie Schülern gleichsam befolgt werden“, erläuterte Fischbach. „Der Instrumentenkasten ist da, man muss ihn dann auch mal anwenden!“

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Vorwürfe gegen die Regierung erhob auch die FDP-Gesundheitspolitikerin Katrin Helling-Plahr. Kinder und Jugendliche gerieten immer mehr zu den großen Verlierern der Pandemie. Die Bundesregierung kenne die Studienlage zu den Folgen und wisse, dass Kinder psychisch stark unter den Einschränkungen litten.

Dennoch drohten erneut flächendeckende Schul- und Kitaschließungen. Eine Unterscheidung zwischen einem „kontrollierbaren Clusterausbruch und diffusem Ausbruchsgeschehen“ sei dann nicht mehr möglich, warnte Helling-Plahr. „Damit fallen Bildungschancen und gesundheitliches Wohlergehen der Kleinsten ein weiteres Mal der Starrsinnigkeit der Bundesregierung zum Opfer.“

Keine Erkenntnisse zu langfristigen Folgen

Die Regierung ihrerseits betont, ihr seien „die hohen Belastungen für Kinder und Jugendliche und deren Familien“ aufgrund der Pandemie und der Einschränkungen im öffentlichen Leben bewusst. Dasselbe gelte für die zuständigen Länder, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion. Zu möglichen langfristigen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Kindergesundheit lägen derzeit keine Erkenntnisse vor.

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Laut Bundesregierung traten bislang rund 385.000 der insgesamt über 2,8 Millionen COVID-Fälle in Deutschland bei Menschen im Alter bis 19 Jahren auf. Nur ein kleiner Anteil sei hospitalisiert, und nur für eine geringe Anzahl an Fällen sei eine Betreuung auf Intensivstation belegt. „Hospitalisierung und Aufnahme auf Intensivstation treten erst im Verlauf auf und sind in der Regel nicht bei der ersten Übermittlung des Falls bekannt.“ Bislang seien dem RKI elf validierte COVID-Todesfälle bei unter 20-Jährigen übermittelt worden.

Hoffen auf Vakzine für Kinder

BVKJ-Chef Fischbach betonte, Kinder und Jugendliche seien keine Treiber der Pandemie. „Sie stecken sich zumeist innerhalb ihrer Familien bei Eltern, Großeltern und anderen Verwandten an und geben, wie Daten in Schulen zeigen, das Virus um den Faktor drei bis vier seltener an Kontaktpersonen weiter als Erwachsenen.“

Zur Entwicklung von Impfstoffen für Kinder sagte Fischbach, er hoffe auf die baldige Zulassung der Vakzine. Ohne die Immunisierung von Kindern und Jugendlichen gebe es keine Herdenimmunität. Kinder und Jugendliche würden noch weiter ausgegrenzt, wenn alle Erwachsenen ein Impfangebot erhalten hätten. Er nehme aber wahr, dass die Industrie „mit Hochdruck“ an den Vakzinen arbeite.

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