Bundesversicherungsamt

Codier-Tricksereien der Kassen angemahnt

Schluss mit lustig: Wenn Kassen weiterhin versuchen, Ärzte zu Korrekturen bei der Codierung zu bewegen, gibt es Ärger. Das kündigt das Bundesversicherungsamt an - und droht sogar mit dem Staatsanwalt.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Kontrolle unerlässlich: BVA-Chef Dr. Maximilian Gaßner.

Kontrolle unerlässlich: BVA-Chef Dr. Maximilian Gaßner.

© Schlingensiepen

BONN. Das Bundesversicherungsamt (BVA) will Krankenkassen schärfer an die Kandare nehmen: Wenn die Kostenträger künftig versuchen, Ärzte zu Korrekturen bei ihrer Codierung zu bewegen, will die Kassen-Aufsicht notfalls auch den Staatsanwalt bemühen, heißt es im Jahresbericht 2011 des BVA, der am Montag veröffentlicht wurde.

Eine einzelne Kasse wollte Ärzten über die KV "Korrekturfragebögen" zustellen, damit diese Diagnosen ambulanter Leistungsfälle nachträglich ändern. Das BVA hat diese erneuten Datenmeldungen nach eigenen Angaben unterbunden.

Die Absicht der Fragebögen sei angesichts der aufgelisteten Krankheitsfälle eindeutig gewesen, so das BVA: Die Datenbasis für den Risikostrukturausgleich wäre zugunsten der Kasse verändert worden - die Morbidität bestimmt mit über die Höhe der Zuweisungen, die eine Kasse aus dem Gesundheitsfonds erhält.

Kasse kontaktiert auch Kliniken

Dreist war das Vorgehen einer anderen Kasse, die einen Vertragsarzt aufforderte, ihr Diagnosen direkt zu melden. Anderenfalls drohte die Kasse mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Eine Erhebung von Diagnosedaten durch Kassen bei Ärzten sei datenschutzrechtlich nicht zulässig, stellte das BVA klar.

Auch bei Krankenhäusern haben Kassen versucht, nachträglich Diagnosedaten zu "ergänzen". Sie verwiesen dazu auf frühere Abrechnungsdaten.

Wird der Medizinische Dienst nicht eingeschaltet, sei eine erneute Übermittlung stationärer Leistungsdaten für Fälle, zu denen bereits Daten gemeldet wurden, unzulässig, betont das BVA.

Die Behörde will künftig auch die "strafrechtliche Relevanz" eines solchen Vorgehens der Kassen prüfen, kündigte BVA-Präsident Maximilan Gaßner an. Die Erfahrungen zeigten, dass die Kontrolle "durch eine unabhängige staatliche Behörde unerlässlich" sei.

Mutter-Kind-Kuren im Fokus des BVA

Das Thema Hausarztverträge ist aus Sicht des BVA "im Wesentlichen abgeschlossen". Schiedspersonen hätten in rund 1000 Bescheiden geschiedste Verträge vorgelegt.

Gegenwärtig lägen nur noch vereinzelt offene Anträge vor. Als "äußerst schwierig" bewertet die Behörde aber die Umsetzung der geschiedsten Verträge.

Grund ist die Vorgabe des Gesetzgebers, dass der Grundsatz der Beitragsstabilität zu beachten ist. Mehrere Hausarztverbände hätten "offen ihr fehlendes Interesse an der Umsetzung kommuniziert" - aus Unzufriedenheit mit der Vergütung.

Ein Dauerbrenner beim BVA ist die Bewilligungspraxis der Kassen bei Mutter-Kind-Kuren. Auch 2011 habe es dazu viele Beschwerden gegeben. Die Aufsicht kündigte an, die Praxis der Kassen "kritisch zu prüfen".

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Kommentare
Dr. Karlheinz Bayer 14.08.201208:47 Uhr

An das Bundesversicherungsamt

Dr.Karlheinz Bayer
Schwimmbadstraße 5
77740 Bad Peterstal

Sehr geehrter Herr Dr.Gaßner,

manchmal vergißt man, daß es ein BVA gibt, und dann ist ein solcher Artikel wohlwollend. Das BVA nimmt jedenfalls seine Aufgaben besser wahr, als es seinerzeit das Bundesgesundheitsamt tat, das dann über so viele Skandale (zuletzt den mit HIV-verseuchtem Blutplasma) stolperte, daß es besser war, es aufzulösen, als einen Sumpf trocken legen zu müssen.

Als Arzt an der Basis wundere ich mich regelmnäßig genau über die Positionen, die in diesem Artikel angesprochen werden, den Mißbrauch des RSA genauso wie die Ausformung der Selektivverträge oder die Rabattpraxis.

Schade ist nur, daß das Amt meist in der Stille waltet. Ich denke, das BVA sollte einen ständigen Kontakt zur Staatsanwaltschaft und zum Kartellamt pflegen. Und es sollte die Öffentlichkeit weitaus mehr nutzen als in der Vergangenheit. Es könnte so und ganz nebenbei kraft seiner Amtsgewalt als unabhängige Institution der Kontrolle ähnlich bedeutend werden wie das Bundesverwaltungs- oder -verfassungsgericht.

Als oft genug Machtloser (wenn es z.B. um den RSA geht) oder gar Geschädigter (wenn es um die Selektivverträge geht), kann ich eigentlich nur hoffen darauf, daß das Amt öfter und härter und konsequenter gegen all den bestehenden Mißbrauch vorgeht. Es geht immerhin um Sozialbeiträge und deren korrekte oder mißbräuchliche Verwendung, die beinahe ebenso hoch sind wie der Bundeshaushalt.

Machen Sie bitte so weiter!

Ihr
Karlheinz Bayer, Bad Peterstal

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