Leitartikel

Das Triage-Dilemma: Leben kann man nicht aufwiegen

Der Gesetzgeber muss eine Sache regeln, die wir lieber nicht regeln wollen: die Triage. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Und dennoch wird ein Dilemma bleiben.

Denis NößlerEin Leitartikel von Denis Nößler Veröffentlicht:
Wie rationieren, wenn die Ressourcen in der Intensivversorgung begrenzt sind? Dafür braucht es Regeln.

Wie rationieren, wenn die Ressourcen in der Intensivversorgung begrenzt sind? Dafür braucht es Regeln.

© Julien / stock.adobe.com

Es ist die berühmt-berüchtigte Quadratur des Kreises, die der Gesetzgeber derzeit zu versuchen hat: Regeln für die Triage zu finden, obwohl wir sie lieber nicht regeln, gar nicht „zulassen“ wollen. Zulassen. Was ein Wort, wenn es um die Zuteilung von Lebenschancen geht.

Aber der Gesetzgeber muss sie regeln. Das haben die Verfassungsrichter ihm auferlegt, um etwa Menschen mit Behinderung vor Benachteiligung bei der Zuteilung knapper Therapieressourcen zu schützen (Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes). Hier im konkreten Fall einer Überlastung von Intensivstationen in der Pandemie. So weit, so einfach?

Leider nein. Denn wenn der Schutz von Menschen mit Behinderung letztlich zu einer Diskriminierung von Menschen ohne Behinderung führt, würde die Grundrechtsverletzung schlicht verlagert. Ergo braucht es Regelungen für diese Entscheidungen. Allokationsregeln ex ante sind nicht neu in der Medizin. Die Wartelistenposition für eine Spenderleber etwa ergibt sich via MELD-Score aus der erwarteten Drei-Monats-Mortalität: Wer länger zu leben hat, muss länger warten.

Lesen sie auch

Elefant im ärztlichen Alltag

Auch sonst ist Rationierung ob begrenzter (Personal)-Ressourcen der Elefant im ärztlichen Alltag. Und das, obwohl die Würde jedes Menschen unantastbar ist. Ein Dilemma. Damit umzugehen, dafür braucht es Regeln. Regeln, die wir gesellschaftlich verhandeln müssen. Mit der Entscheidung für dieses und gegen jenes Leben dürfen wir Ärztinnen und Ärzte nicht alleine lassen.

Dazu zählt auch, Triage ex post vehement abzulehnen. Den sprichwörtlichen „Stecker“ zu ziehen bei einem beatmeten Menschen mit Behinderung, um eine junge, ansonsten gesunde Mutter beatmen zu können, wäre schlicht passive Sterbehilfe. Den Konflikt, keine medizinische Kapazität für eine notwendige Therapie zu haben, in einer Krise, diesen Konflikt müssen wir ertragen. Auch das gehört dazu, wenn wir die Triage regeln wollen.

Lesen sie auch
Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Pflegekräfte als Teil des Schmerzmanagements

© NanSan / stock.adobe [Symbolbild mit Fotomodellen]

Schmerzen erfassen, bewerten und behandeln

Pflegekräfte als Teil des Schmerzmanagements

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Chronobiologisch sinnvoll

Deshalb gehören Glukokortikoide in die Morgenmedikation

Kniegelenk

Neue Gonarthrose-Leitlinie setzt mehr auf Eigeninitiative

Lesetipps
Collage von Bildern

© Frau: nenetus / stock.adobe.com | Rücken links: Dr. P. Marazzi / Science Photo Library | Arm: ZOKO / stock.adobe.com | Rücken rechts: Eva Valesky (2) | HG: Phokin / stock.adobe.com

Falsches Label?

Verdacht auf Betalaktam-Allergie: Was tun, wenn die Patientin ein Antibiotikum braucht?

Was ist bei Impfungen von Menschen mit Erdnussallergie zu beachten?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Was ist bei Impfungen von Menschen mit Erdnussallergie zu beachten?