Gemeinsamer Senat

Deutsches Preisrecht gilt auch für DocMorris und Co.

KARLSRUHE (cw). Er war lange und mit Spannung erwartet worden: Der Sitzungstermin des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu der Frage, ob ausländische Versandapotheken, wenn sie nach Deutschland liefern, den Preisbestimmungen des Arzneimittelrechts unterliegen. Nach mehr als sechstündiger Marathonsitzung bejahte das Gremium diese Frage.

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In der Sache hängt davon ab, ob die Versandapotheken ihren Kunden Boni auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren können, oder nicht.

Wörtlich heißt es in einer Mitteilung des Bundesgerichtshofes, bei dem der Gemeinsame Senat angesiedelt ist, "dass die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, ausländische Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel im Inland an Endverbraucher abgeben, deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen". Dem widersprächen auch europarechtliche Regelungen, etwa zum freien Warenverkehr, nicht. Eine Begründung dieses Votums steht noch aus.

In der Vergangenheit unterschiedliche Urteile

Bundessozialgericht und Bundesgerichtshof hatten in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Urteilen gefunden. Während die Kasseler Sozialrichter die Geltung der Arzneimittelpreisverordnung für ausländische Versender verneinten, sah der Bundesgerichtshof die Sache genau anders rum.

Im ersten Fall begehrte DocMorris die Rückerstattung von Herstellerrabatten. Das lehnte das Bundessozialgericht mit eben dieser Begründung ab. Im zweiten Fall wurde die Europa Apotheek Venlo von einer deutschen Apothekerin vor den Kadi gezogen, die deren üppige Rezept-Boni für Patienten untersagen lassen wollte. Diesmal war der Bundesgerichtshof zuständig.

Der befand im Herbst 2010 schließlich, dass Boni beim Kauf rezeptpflichtiger Produkte zwar prinzipiell gegen die Arzneimittelpreisverordnung verstoßen, sah geringwertige Zugaben bis zu einem Euro jedoch als wettbewerbsrechtlich unbedenklich an.

Bei DocMorris sind Rx-Boni bis zu 15 Euro drin, pro Medikament 2,50 Euro, die mit der Zuzahlung verrechnet oder dem Kundenkonto gutgeschrieben werden. Die Europa Apotheek lobt inzwischen einheitlich 2,49 Euro für jedes verschreibungs- und zuzahlungspflichtige Medikament aus. Ehedem hatte sie drei Prozent des Warenwerts, mindestens 2,50 höchstens jedoch 15 Euro gewährt.

Letztes Wort zu Rezeptboni noch nicht gesprochen

Das letzte Wort zu Rezeptboni dürfte mit dem heutigen Urteil nicht gesprochen sein. Der Verband der europäischen Versandapotheken (EAMSP) hatte erst kürzlich angekündigt, nach Inkrafttreten der so genannten 16 AMG-Novelle, der der Bundesrat am 21. September noch zustimmen muss, Klage beim Europäischen Gerichtshof zu erheben.

Ein Passus des Reformpaketes enthält nämlich gleichfalls die Bestimmung, dass EU-Versender, die nach Deutschland liefern, den hiesigen Preisgepflogenheiten unterstehen. Damit wollte das BMG für klare Verhältnisse sorgen. Mit einem Spruch des Gemeinsamen Senats hatte man erst zu einem späteren Zeitpunkt gerechnet.

Für die niederländischen Versandapotheken hat die Unterwerfung unter die Arzneimittelpreisverordnung gravierende Folgen. Sie verlieren ihren wichtigsten Trumpf im Wettbewerb mit den inländischen Versendern um Rezepte.

Etwa 75 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaften sie mit verschreibungspflichtigen Produkten. Die deutschen Versandapotheken bekamen im Rx-Geschäft bislang kaum einen Fuß auf den Boden. Dafür sind sie im OTC-Geschäft gut aufgestellt, rund 80 Prozent ihrer Erlöse stammen aus dem Verkauf rezeptfreier Produkte.

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