Meilenstein für die Wissenschaft
Diagnosedaten: Forschungsdatenzentrum geht an den Start
Gesundheitsministerin Nina Warken hat das Forschungsdatenzentrum Gesundheit eröffnet. Der Datenschatz umfasst 15 Jahre Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung und soll stetig wachsen.
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Beim Thema Forschungsdaten einig: Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, und Ministerin Nina Warken am Donnerstag in der Bundespressekonferenz.
© Soeren Stache/dpa/picture alliance
Berlin. Mit dem Start des Forschungsdatenzentrums (FDZ) Gesundheit ist am Donnerstag ein maßgeblicher Schritt für die Nutzung von Abrechnungs- und Diagnosedaten für die Forschung gegangen worden.
„Heute ist ein guter Tag für die nachhaltige Verbesserung der Versorgung“, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) bei der offiziellen Eröffnung des FDZ vor Journalisten in Berlin. „Daten können Leben retten“, so die Ministerin. Deren Nutzung für ausgewählte Forschungszwecke über das FDZ sei ein Paradigmenwechsel.
Das am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelte FDZ Gesundheit soll künftig die zentrale Infrastruktur bilden, über die millionenfach Gesundheitsdaten sicher zu Forschungszwecken bereitgestellt und genutzt werden können. Forscherinnen und Forscher können ab sofort entsprechende Anträge stellen, um auf pseudonymisierte Abrechnungsdaten aller GKV- Versicherten zurückgreifen zu können.
15 Jahre Abrechnungsdaten bereits verfügbar
Für die Jahre zwischen 2009 und 2023 liegen diese im FDZ bereits vollständig vor. Neue Daten werden nach Angaben von BfArM-Präsident Professor Karl Broich fortlaufend eingepflegt. „Durch die Nutzung pseudonymisierter Real-World-Daten können wir Krankheiten besser verstehen und die Arzneimittelentwicklung beschleunigen“, sagte Broich. Er verwies auf hohe Datenschutzstandards.
Broich erhofft sich, Daten für die Forschung noch schneller zur Verfügung stellen zu können Spätestens nach drei Monaten sollen Abrechnungsdaten in Zukunft vorliegen, so sein Ziel. Derzeit sind am FDZ 20 Mitarbeitende im Einsatz. „Wir wissen noch nicht, wie viele Anträge wir bekommen“, sagte der BfArM-Präsident auf die Frage, ob die personelle Ausstattung ausreiche.
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Registerdaten: Ihr Potenzial für die Versorgungsforschung ist noch nicht ausgelotet
Die im FDZ vorliegenden Abrechnungsdaten enthalten nach BMG-Angaben Informationen über Diagnosen, Therapien, Arzneimittelverordnungen, Krankenhausaufenthalte und die weitere Versorgung und sind nach Alter und Geschlecht sowie regional aufgeschlüsselt. Die Datensätze erlauben damit eine pseudonymisierte Auswertung von Krankheitsverläufen. Ein Rückschluss auf einzelne Patienten (auch rückwirkend) ist durch die Pseudonymisierung nicht möglich.
Meilenstein für Transparenz
Gespeist wird der Datenpool von der gesetzlichen Krankenversicherung und ihren rund 74 Millionen Versicherten. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Stefanie Stoff-Ahnis, sprach von einem Datenvolumen allein im Bereich der ärztlichen Behandlung zu 600 Millionen Fällen mit insgesamt 8 Milliarden Datensätzen pro Jahr. Das sei ein „Meilenstein in Transparenz im Gesundheitswesen“.
Auch die Krankenkassen wollten die neuen Möglichkeiten selbst intensiv nutzen, etwa um Präventionsangebote, Disease Management Programme (DMP) oder neue Versorgungsformen weiterzuentwickeln, kündigte Stoff-Ahnis an.
Mit Patientendaten
Was mit ePA-Daten in der Forschung möglich sein könnte
Ein großes Interesse am Zugang zu dem Datenpool haben auch die Pharmaunternehmen. „In den Daten aus dem medizischen Alltag stecken viele informationen, die wichtig sind“, so Han Steutel, Präsident des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen (vfa).
Ab Ende 2026 fließen auch ePA-Daten ins FDZ
Nicht nur der vfa wünscht sich dabei eine rasche Ausweitung der Datenquellen, die ins FDZ fließen. So sollen voraussichtlich ab Oktober 2026 die Daten, die Versicherte freiwillig aus der elektronischen Patientenakte bereitstellen, zur Verfügung gestellt werden. Weitere Datenquellen wie etwa die Krebsregister sind angedacht.
Mehrfach wurde am Donnerstag die gelungene Balance zwischen Datenschutz und der sicheren Nutzung des Datenschatzes betont. Wie Warken betonte, hat es beim FDZ-Aufbau eine enge Abstimmung mit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gegeben.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Professor Louisa Specht-Riemenschneider kommentierte dann auch positiv: „Das FDZ Gesundheit setzt neue Maßstäbe für den datenschutzkonformen Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten.“ Das FDZ gestalte Datenschutz aktiv für vertrauenswürdige und datenbasierte Forschung. (gab)
Wie das FDZ Gesundheit arbeitet
- Alle Daten, die im FDZ Gesundheit bereitgestellt werden, sind pseudonymisiert oder anonymisiert. Die Pseudonymisierung der Daten erfolgt durch die Vertrauensstelle am Robert Koch-Institut.
- Der Zugang zu den Datensätzen kann grundsätzlich von allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern etwa von Forschungseinrichtungen, Universitätskliniken, Politik und Krankenkassen, Biotechnologie- und Pharmaunternehmen, Start-ups, Patienten- und Verbraucherschutzverbänden beantragt werden.
- Grundlegende Voraussetzung für den Zugang ist ein erlaubter Nutzungszweck. Die Forschung muss der Verbesserung der Gesundheitsversorgung dienen. Marktrecherche oder Produktentwicklung ohne medizinischen Erkenntnisgewinn sind ausgeschlossen.
- Die Daten werden ausschließlich in geschützten, zugangskontrollierten Analyseräumen zur Verfügung gestellt. Nur die Endergebnisse verlassen die sichere Verarbeitungsumgebung nach Prüfung durch die Mitarbeitenden am FDZ Gesundheit.
- Alle genehmigten Forschungsvorhaben werden künftig in einem öffentlich einsehbaren Antragsregister dokumentiert.