KV Schleswig-Holstein

„Die Aufklärung zu SARS-CoV-2 können wir nicht dem ÖGD überlassen“

Der Weg zu einer „neuen Normalität“ mit dem SARS-CoV-2-Virus ist noch weit. Die Abgeordneten der KVSH diskutierten am Samstag über To-do‘s und über Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Politik.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Seit 2012 gemeinsam im Vorstand der KV Schleswig-Holstein: Dr. Monika Schliffke (r.) und Dr. Ralph Ennenbach. (Archivbild)

Seit 2012 gemeinsam im Vorstand der KV Schleswig-Holstein: Dr. Monika Schliffke (r.) und Dr. Ralph Ennenbach. (Archivbild)

© Dirk Schnack

Bad Segeberg. SARS Cov-2 bleibt – und welche Strategie haben die niedergelassenen Ärzte langfristig? Nur auf die Impfung zu warten, auf die Corona-Warn-App zu vertrauen und auf Ratschläge von Virologen über Medien zu hören, reicht Dr. Monika Schliffke nicht aus. Bei der Abgeordnetenversammlung der KV Schleswig-Holstein (KVSH) am 26. September riet die KV-Vorstandsvorsitzende ihren Kollegen zu mehr Aufklärung über die Risiken des Virus, damit eine „neue Normalität“ möglich wird.

„Je mehr wir über die Risiken, Interaktionen, Erkrankungsausprägungen und Langzeitauswirkungen von Covid lernen, desto besser wird die Beratung durch die Ärzte geschehen können, genauso wie bei anderen Infektionskrankheiten auch“, sagte Schliffke. Diese Beratung durch die niedergelassenen Ärzte gehört für sie zu einer Normalisierung dazu. „Das ist sicher kein Thema, das wir dem ÖGD oder einem Bundesamt für gesundheitliche Aufklärung überlassen können und es ist auch kein Thema, das sich digital mit Apps lösen lässt“, betonte Schliffke.

Ärzte benötigen Leitlinien zu SARS-CoV-2

Erleichtert werden könnte den Ärzten diese Aufgabe durch Leitlinien, die als Lehre aus dem bisherigen Infektionsgeschehen gezogen werden. Dabei erwartet Schliffke nicht, dass schon im kommenden Jahr jede Frage beantwortet werden kann. Sie betonte aber: „Es gehört zu jeder freiheitlichen Gesellschaft, dass man mit gewissen Unsicherheiten und Risiken lebt, die man auch aushalten muss, wenn man sich nicht selbst ein Gefängnis verordnen will.“

Eine breite öffentliche Diskussion erwartet sie dazu spätestens, wenn in Deutschland mit dem Impfen gegen COVID-19 begonnen wird. Schliffke verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Isolation vieler älterer Menschen, die sich durch die ergriffenen Maßnahmen zum Teil noch verschärft habe.

Kritik an „einsamen Todesfällen“ in Heimen

„Unter dem Aspekt der Schonung der älteren Menschen vor Risiken ist leider viel geschehen, was sicher nicht immer mit deren Einverständnis geschah“, sagte Schliffke mit Blick auf „einsame Todesfälle in Heimen und Kliniken“, aber auch mit Blick auf die Demenz- und die Palliativversorgung. „So etwas wird man nie mit Landesverordnungen auffangen können, aber es bleibt zu hoffen, dass diese Dinge in Zukunft deutlich mehr berücksichtigt und eingeordnet werden“, so Schliffke.

Die Situation in den Pflegeheimen treibt auch andere Ärzte aus der Abgeordnetenversammlung um. Der Lübecker Labormediziner Dr. Andreas Bobrowski bestätigte, dass die Isolation vieler älterer Menschen auch in Lübeck ein großes Problem ist. Er rief dazu auf, die ärztliche Kompetenz in Pflegekonferenzen vor Ort zu diesem Thema einfließen zu lassen.

„Gegen die Angst wird politisch nichts getan“

In vielen Arztpraxen belastet das Thema COVID-19 weiterhin den Arbeitsalltag. „Ich habe seit sechs Monaten keine Normalität in der Praxis. Die Patienten haben Angst, dagegen wird politisch nichts getan“, sagte Allgemeinmediziner Björn Steffensen aus Nordfriesland.

Er zeigte sich zugleich enttäuscht vom Honorarabschluss auf Bundesebene, der nach seiner Ansicht nicht die Wertschätzung ausdrückt, die angebracht wäre. Verstärkt werde sein Gefühl von Ungerechtigkeit durch die hohen Summen, die dem stationären Sektor in Aussicht gestellt wurden.

Welche Honorarerhöhung aber wäre angebracht, was wäre in den Augen der Praxisinhaber gerecht gewesen? KV-Vorstand Dr. Ralph Ennenbach stellte klar. „1,25 Prozent sind kein Ausdruck von Wertschätzung.“ Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die Praxen im Vergleich zu anderen Freiberuflern finanziell glimpflich durch die Krise gekommen sind.

Der Wunsch nach Anerkennung bleibt

Die Honorareinbußen hielten sich Grenzen und für Kritik an diesem Punkt, so Ennenbach, würde die Bevölkerung wohl kaum mit Verständnis reagieren. Hinzu kommt die extrem angespannte und unsichere Finanzlage der Krankenkassen, nachdem der Gesundheitsfonds durch die Politik „geplündert“ wurde und zahlreiche Gesetze mit finanziellen Folgen verabschiedet wurden.

„In diesem Kontext muss man den Abschluss betrachten“, so Ennenbach. Den Perspektivwechsel empfanden viele Abgeordnete als hilfreich, der Wunsch nach Anerkennung der geleisteten Arbeit in den vergangenen Monaten blieb dennoch.

Augenarzt Dr. Bernhard Bambas fasste es so zusammen: „Gerechtigkeit erwarten wir in unserem System nicht. Aber eine Art von Anerkennung und Wertschätzung, nicht nur in Form von Geld.“

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