Nachruf

Dr. Hans-Friedrich Spies – Kämpfer für den freien Arztberuf

Im Alter von 76 Jahren ist Dr. Hans-Friedrich Spies gestorben. Ein unermüdlicher Kämpfer für ein Gesundheitssystem, in dem Ärzte ihren Patienten gerecht werden können.

Von Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:
Dr. Hans-Friedrich Spies, BDI-Vorstandsmitglied, beim Deutschen Internistentag (DIT) in Berlin.

Dr. Hans-Friedrich Spies, BDI-Vorstandsmitglied, beim Deutschen Internistentag (DIT) in Berlin.

© Phil Dera / BDI

„Bietet das System der Gesetzlichen Krankenversicherung ambulant alle Möglichkeiten, die der Arzt im Einzelfall für die Behandlung benötigt?“ Das ist nur eine von vielen Fragen, mit denen sich Dr. Hans-Friedrich Spies in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt hat: wenn es etwa um das Wohl des Patienten ging, oder um sein leidenschaftliches Engagement für die Freiberuflichkeit.

Dr. Hans-Friedrich Spies ist tot. Der Internist und Kardiologe starb am vergangenen Freitag im Alter von 76 Jahren im Kreis seiner Familie nach schwerer Krankheit. Noch in den letzten Wochen vor seinem Tod war er präsent, um mit Ideen und Analysen die Redaktionskonferenzen von „BDI aktuell“, seiner großen Leidenschaft zu begleiten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Ärzte Zeitung“, die seit Jahren zusammen mit dem BDI-Team das Blatt produzieren, wussten den Rat ihres Chefredakteurs zu schätzen. Beide Seiten lernten voneinander. Das betonte Spies immer wieder.

Start in Hessen

Rückblick: Spies studiert in Gießen. In den 70er Jahren richtet er seinen Fokus auf die Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie – zuerst in Gießen, dann in Bad Nauheim und schließlich in Frankfurt. Frankfurt sollte auch seine erste Station als niedergelassener Arzt mit belegärztlicher Tätigkeit am Bethanien-Krankenhaus sein (1979 bis 2009). 1978 gehört er zu den Mitbegründern des „Cardioangiologischen Centrums Bethanien“ (CCB), das weit über die Landesgrenze hinaus bekannt ist. Typisch für ihn, aus der ihm eigenen Kreativität Neues zu schaffen.

Ob Vertrags-, Privat- oder Krankenhausarzt: Jeder Mediziner ist dazu verpflichtet, seine ärztliche Entscheidung unbeeinflusst von nichtmedizinischen Vorgaben zu treffen.

Dr. Hans-Friedrich Spies, Januar-Ausgabe von „BDI aktuell“

Zeitlich parallel zu seiner medizinischen Karriere engagiert sich Spies berufspolitisch zunächst in der Landesärztekammer Hessen, ab 1980 dann in der Kassenärztlichen Vereinigung. Mitte der 90er Jahre übernimmt er die Leitung der KV-Bezirksstelle Frankfurt, bevor er 1997 zum Vize-Chef der KV gewählt wird. 2001 gelingt ihm der Sprung an die Spitze der KV.

Dann der Paukenschlag: Ein Jahr vor dem offiziellen Ende der Legislatur erklärt Spies im Juni 2003 seinen Rücktritt vom Chefposten. Begründung: mangelnder Rückhalt im eigenen Vorstand.

Stein des Anstoßes ist der kurz zuvor geschlossene DMP Diabetes-Vertrag zwischen den hessischen Krankenkassen und dem Hausärzteverband. Die gemeinsame Linie des KV- Vorstands steht: Ablehnung. Doch Ende Mai 2003 ändert sich das Meinungsbild. Man wolle nicht als Bremser dastehen – die KV müsse wieder ins Spiel zurückfinden, heißt es. Die „Ärzte Zeitung“ zitiert Spies mit den Worten: „Nur wegen der Politikfähigkeit sollte man seine ärztlichen Grundsätze nicht an der Garderobe abgeben.“

Unbequem und hartnäckig

Spies ist überzeugt davon, dass der Vertrag die Versorgung der Patienten nicht verbessert – im Gegenteil. Er befürchtet auch Beschränkungen der Therapiefreiheit. Er hinterfragt kritisch: „Spielt da eine KV noch mit, ordnet sie ihre medizinische Kompetenz den ökonomischen Zwängen unter und ist der Arzt bereit, sein auf Vertrauen gegründetes Arzt-Patienten-Verhältnis dafür aufs Spiel zu setzen?“ Spies tritt in Hessen zurück, sein Mandat als Beisitzer im Vorstand der KBV behält er bis 2004.

Der Vorgang mag für Spies eine Zäsur gewesen sein. In den Jahren danach nutzt er immer wieder Gelegenheiten, sich vor seine Patienten und vor seine Kollegen zu stellen. Spies bleibt unbequem. Das müssen nicht nur Politik und Krankenkassen erfahren, sondern oft auch die Vertreter ärztlicher Körperschaften.

Sein neuer berufspolitischer Fokus richtete sich schließlich auf die Arbeit im Berufsverband Deutscher Internisten, dessen Vorstandsmitglied er seit 2008 war. Ab 2012 war er zweiter Vize-Präsident, 2016 übernahm er das Präsidentenamt, das er 2019 aus Altersgründen nicht mehr weiter ausführte. Sein zweites starkes berufspolitisches Standbein war der Spitzenverband der Fachärzte, zu dessen Vorstand er seit 2015 gehört.

In diesen Jahren setzt er weitere gesundheitspolitische Akzente, in denen er zum Beispiel „Budgets“ zur Gretchenfrage erklärt. Seine Überzeugung: Ohne ein Aufbrechen der Budgets wird die sektorübergreifende Versorgung nicht vorankommen. Das schreibt er den Ministern Gröhe und Spahn ins Stammbuch.

Seine Hartnäckigkeit, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen, zeichnete ihn aus. Im Januar 2021 titelt er in BDI aktuell „Das hohe Gut des freien Berufes – Ob Vertrags-, Privat- oder Krankenhausarzt: Jeder Mediziner ist dazu verpflichtet, seine ärztliche Entscheidung unbeeinflusst von nichtmedizinischen Vorgaben zu treffen.“ Noch einmal ein flammender Appell an die jüngere Ärztegeneration und an jeden Klinikarzt.

Die Kollegen und wir werden Hans Spies vermissen, als Mahner, als Analytiker, als Arzt, als Ratgeber, als Mensch und Freund.

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