EU-Abschlussbericht

EU-Parlament will Ernst machen im Kampf gegen Krebs

Der Sonderausschuss des EU-Parlaments zur Krebsbekämpfung fordert in seinem Abschlussbericht eine bessere Zusammenarbeit zwischen den 27 Mitgliedstaaten. Zudem empfehlen die EU-Abgeordneten höhere Steuern auf Tabak – und Warnhinweise für Alkohol.

Von Katrin Pribyl Veröffentlicht:
Warnhinweise auf Zigarettenpackungen: Das EU-Parlament stellt sich vor, dass diese bald auch bei Alkoholika auf die Krebsgefahr hinweisen sollen..

Warnhinweise auf Zigarettenpackungen: Das EU-Parlament stellt sich vor, dass diese bald auch bei Alkoholika auf die Krebsgefahr hinweisen sollen.

© Niall Carson / empics / picture-alliance

Brüssel. Die Diskussion um das berühmte tägliche Glas Rotwein zum Abendessen beschäftigte jahrzehntelang Wissenschaftler dieser Welt. Gesund – oder schädlich? Mittlerweile ist man sich einig: Zum Verdruss aller Weinliebhaber und Biertrinker führt selbst ein moderater Konsum signifikant zu einer Erhöhung des Krebsrisikos.

Damit solche Erkenntnisse auch bei den Bürgern ankommen, will die EU ihre Möglichkeiten nutzen – Gesundheitsvorsorge ist zuerst Sache der 27 Mitgliedstaaten – und einen Rechtsrahmen setzen. Das Problem drängt: Jährlich sterben 1,3 Millionen Europäer an Krebs. Die Kommission, die für die Krebsbekämpfung in den nächsten Jahren vier Milliarden Euro zur Verfügung stellt, hatte im Frühjahr die Initiative. Nun ziehen die EU-Parlamentarier nach und fordern vor allem eines: ein stärkeres Zusammenspiel der EU-Mitgliedstaaten.

Plan mit ehrgeizigen Forderungen

Am Donnerstag kamen sie dem Ziel einen Schritt näher. Der Sonderausschuss Krebsbekämpfung verabschiedete seinen Abschlussbericht. Der Plan enthält ehrgeizige Forderungen, darunter etwa jene nach Warnhinweisen für Alkohol oder nach höheren Steuern auf Tabak, insbesondere in Ländern, in denen sie sehr niedrig sind.

Der Tabak-Einkaufstourismus, beispielsweise in Grenzregionen, unterlaufe die Präventionspolitik von den Staaten, die bewusst hohe Abgaben haben, kritisierte Dr. Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion.

Und auch bei der E-Zigarette sollen Änderungen her. „Wir wollen, dass Geschmacksstoffe, die besonders attraktiv für Kinder sind wie Bubblegum, in ganz Europa vom Markt genommen werden.“ Die E-Zigarette könne ein Instrument bleiben, um schweren Rauchern zu helfen, vom Glimmstängel loszukommen, aber dürfe keines sein, „um Kinder oder Nichtraucher zu verführen“.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit wichtig

Die Empfehlungen reichen jedoch weiter. „Es geht darum, dass wir all denjenigen, die gegen Krebs kämpfen und das grenzüberschreitend tun, den roten Teppich ausrollen“, sagte Liese. Das gelte für Forscher, aber auch für Patienten, die sich im Ausland behandeln lassen wollen, sei es, um während der Chemotherapie näher bei ihrer Familie zu sein oder um einen bestimmten Spezialisten aufzusuchen.

Noch stehen etliche Hindernisse im Weg. So würden bei klinischen Prüfungen die unterschiedlichen Herangehensweisen in den EU-Ländern „einen schier zur Verzweiflung bringen“, wie der Europapolitiker und Arzt Liese es nennt. Dabei sei gerade hier die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wichtig. Der Grund: Je kleiner die Fallzahl, desto unsicherer sei die Wissenschaft und damit auch die Medizin. „Wer an einer seltenen Krebsart leidet, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit zu sterben.“

Frustration wegen Datenschutz

Das betrifft auch zahlreiche Kinder. Für erfolgreiche klinische Studien bei seltenen kindlichen Krebserkrankungen braucht es eine gewisse Fallzahl, die ein Mitgliedstaat oft alleine überhaupt nicht erreichen kann. Deshalb arbeiten Wissenschaftler bereits seit Jahren auf europäischer Ebene zusammen. Dass unter Forschern trotzdem Frustration herrscht, liegt hauptsächlich am Datenschutz.

Zu den Leidgeprüften gehört Angelika Eggert. Die Professorin ist Kinderonkologin an der Charité Berlin und leitet dort die Klinik für Pädiatrie. Sie forscht unter anderem zum Neuroblastom, ein häufiger Tumor bei Kindern. Derzeit bereiten Eggert und Kolleginnen und Kollegen aus 28 anderen, darunter europäischen, Ländern eine neue Studie vor – und wie so oft hemmt die Bürokratie.

So bestehen etwa in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Meinungen zur Auslegung der gleichen EU-Datenschutzregeln. Das kostet Zeit, die viele Patienten aber nicht haben. „Im Moment haben wir manchmal das Gefühl, wir schützen die Daten besser als die Patienten“, kritisierte Eggert. Dabei gereiche dieser enorme Datenschutz den Patienten eher zum Nachteil als zum Vorteil. Sie fordert „ein vernünftiges Augenmaß“.

„Recht auf Vergessen“

Neben der Verbesserung von Prävention oder der Forderung nach einem Sonderbeauftragten bei der EU-Kommission sieht der Bericht auch das „Recht auf Vergessen“ vor. Das heißt, dass Patienten zehn Jahre nach überstandener Krebserkrankung EU-weit die Möglichkeit haben sollen, den Eintrag aus ihren Krankenakten zu löschen, um beispielsweise keine Probleme bei der Aufnahme in eine Krankenkasse zu haben.

Obwohl es im Ausschuss den Mitgliedern zufolge viel Konsens gab, kamen beim Thema Alkohol auch Streit auf. „Ich habe mir eine stärkere Differenzierung zwischen moderatem, schwerem und schädlichem Alkoholgebrauch gewünscht“, sagte der Europaabgeordnete Jens Gieseke (CDU), der ansonsten von einem „guten Kompromiss“ sprach. Es sei nicht Aufgabe der Politik, „grundsätzlich Alkoholkonsum zu verbieten“.

Die finale Plenar-Abstimmung ist für den kommenden Februar geplant. Auch da dürften die Vorschläge in Sachen Alkohol den größten Widerstand auslösen. In Ländern, wo viel Wein angebaut wird oder Brauereien sitzen, bringen sich die Gegner bereits in Stellung – auch in Deutschland.

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