Impfstoff-Verträge

EU-Verhandlerin Gallina: „Wir haben bei den Corona-Impfstoffen gekauft, was wir kriegen konnten“

Hat die EU zu wenig Corona-Impfstoff bestellt? Sandra Gallina, Chefin der EU-Generaldirektion Gesundheit, sieht keine Versorgungslücken. Erstmals äußert sie sich zu den Kaufverträgen mit den Herstellern.

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600 Millionen Dosen hat die EU allein vom Impfstoff der Firmen BioNTech/Pfizer bestellt.

600 Millionen Dosen hat die EU allein vom Impfstoff der Firmen BioNTech/Pfizer bestellt.

© Hendrik Schmidt/dpa

Brüssel. Sie ist Brüssels Frau für die umstrittenen Impfstoff-Verträge: Sandra Gallina. Am Dienstag öffnete die Direktorin der EU-Generaldirektion Gesundheit zum ersten Mal die bislang unter Verschluss gehaltenen Abkommen mit den Pharmaherstellern – und sie stand dem Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlamentes Rede und Antwort.

Es war vielleicht einer der Schlüsselmomente in der Debatte um Defizite bei Lieferung und Logistik der Vakzine, denn Gallina räumte mit vielen Behauptungen in der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion auf.

„Wir haben alles aufgekauft, was wir bekommen konnten“, sagte die gebürtige Italienerin. Was steht also in den Verträgen drin, von denen einer seit Montag in einem abgeschirmten Lesesaal von den EU-Abgeordneten einzeln eingesehen werden kann?

Insgesamt 1,16 Milliarden Impfdosen geordert

„Wir sind bei den Bestellungen so weit gegangen, wie es ging und wir haben Mengen ordern können, die kein Mitgliedsland allein bekommen hätte“, sagte sie am Dienstag. Schon jetzt – mit den Orders von 600 Millionen Dosen von BioNTech/Pfizer, 160 Millionen Dosen von Moderna sowie jenen 400 Millionen, die ab dem 29. Januar erwartet werden, wenn mutmaßlich das Vakzin von AstraZeneca zugelassen wird – „sind wir in der Lage, alle 350 Millionen EU-Bürger im impffähigen Alter zu versorgen“.

Vereinbart worden sei, dass die Lieferungen in den kommenden Wochen, vor allem aber im zweiten Quartal „so richtig ins Rollen kommen“. Ab dem dritten Quartal sei die Versorgung aller Bürger sichergestellt und man könne sich darauf konzentrieren, Impfstoffe für jene Personen zu entwickeln, die Vorerkrankungen haben.

Die Impf-Kampagne in den 27 Mitgliedstaaten werde genau beobachtet. Bisher habe es nur eine Unverträglichkeit gegeben, die sich im Nachhinein aber als nicht durch den Impfstoff verursacht herausgestellt habe.

Extra-Klauseln sichern Nachschub

Wie weitgehend sich die EU gegen mögliche Risiken geschützt hat, zeigte der Rückblick Gallinas. „Als wir mit den Bestellungen begonnen haben, gab es insgesamt 65 Kandidaten.“ Zur Vorsicht vereinbarte man diverse Extra-Klauseln. So gebe es etwa im Vertrag mit Johnson&Johnson einen Passus, der die Abnahme von 200 Millionen Impfdosen festlegt. Sollte sich aber herausstellen, dass zwei Impfungen notwendig seien, bekomme die Gemeinschaft 400 Millionen Dosen.

In weiteren Vereinbarungen sei ausgehandelt worden, dass die EU für Impfstoffe, die nicht wirken, auch nicht bezahlen muss. Und: Bei Engpässen in der Herstellung habe sich die EU ein Vorrangrecht gesichert. Gallina: „Unsere Bestellungen kommen zuerst.“

Zu den Kernelementen, die in allen Dokumenten mit Herstellern abgeschlossen wurden, gehört laut Gallina die Übernahme der Haftung. Somit sind die Hersteller nach einer Zulassung ihres Wirkstoffs für eventuelle Spätschäden verantwortlich. Gerade um diesen Punkt habe es mit den US-Konzernen Auseinandersetzungen gegeben.

Die Anhörung verdeutlichte: Viele der aktuellen Probleme liegen in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, obwohl die Expertin betonte: „Wir kommen gut voran.“ Zur besseren Übersicht müssen die 27 Mitgliedstaaten zwei Mal wöchentlich den Stand der Impfungen an das EU-Institut für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) melden, die diese veröffentlicht. (ded)

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