DPtV-Vorsitzender Hentschel im Interview
„Es geht darum, uns zu beteiligen!“
Musterweiterbildungsordnung, Qualitätssicherung: Der neue Vorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung will seinen Berufsstand in die anstehenden Entscheidungen eingebunden sehen.
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Psychotherapeutische Behandlungssituation. Die Qualitätssicherung wird derzeit novelliert.
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Ärzte Zeitung: Sie sind seit November DPtV-Vorsitzender. Vor was haben Sie in dieser Funktion am meisten Respekt?
Gebhard Hentschel: Psychische Erkrankungen werden heute besser und früher erkannt. Betroffene sind zunehmend bereit, eineprofessionelle psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Dabei wachsen die Begehrlichkeiten der Kostenträger, steuernd und reglementierend einzugreifen. Die aktuell diskutierten digitalen Angebote können eine Ergänzung sein, wirken jedoch immer nur so gut wie sie in ein professionelles, individualisiertes Behandlungssetting eingebettet sind. Ich sehe es als wichtige Aufgabe meiner Tätigkeit, das psychotherapeutische Behandlungsangebot in vernetzten Strukturen und sektorenübergreifend auszubauen – im Interesse der Patienten und der mehr als 14 000 DPtV-Mitglieder.

DPtV-Vorsitzender Gebhard Hentschel
© Holger Gross
Die Reform der Psychotherapeuten-Ausbildung ist sehr eng getaktet. Was kommt damit auf die DPtV zu? Werden die Studiengänge im Herbst dieses Jahres starten?
Wir werden in den Gremien der Bundespsychotherapeutenkammer und der Länderkammern bei der Erarbeitung einer Musterweiterbildungsordnung intensiv mitarbeiten.
Dabei geht es auch um die Beantwortung der sozialrechtlichen Aspekte, etwa den Ort und den Umfang der Ermächtigung von Weiterbildungsstätten. Wir werden uns auch weiterhin für eine finanzielle Förderung der ambulanten Weiterbildung einsetzen. Erste Ergebnisse sollen auf dem Deutschen Psychotherapeutentag im Mai 2020 präsentiert werden.
Das neue Psychotherapiestudium wird ein hochattraktives Angebot für künftige Studenten sein. Insofern gehen wir davon aus, dass einige Studiengänge bereits im Herbst 2020 starten können. Ob das jedoch flächendeckend gelingt, bleibt abzuwarten.
20 Jahre hat es seit Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes gedauert, bis mit der Systemischen Therapie ein neues Richtlinienverfahren zugelassen worden ist. Ist der Katalog der RiLi-Verfahren damit voll, oder ist noch mehr zu erwarten?
Die Humanistische Psychotherapie könnte ein weiteres Verfahren sein. Allerdings ist die Anerkennung durch den Wissenschaftlichen Beirat noch nicht erfolgt. Wir erwarten, dass die fachliche Diskussion um Verfahren, Methoden und Techniken weiter an Intensität gewinnt, wenn Psychotherapie jetzt besser als bisher an den Universitäten in ihrer vollen Breite vertreten sein wird.
Vor den Psychotherapeuten liegt die Entwicklung eines neuen Qualitätssicherungsverfahrens (QS), das das Antrags- und Gutachterverfahren ablösen soll. Sind die Psychotherapeuten in diesen Prozess angemessen eingebunden?
Eine Psychotherapie zeichnet sich immer durch eine auf die Patienten individuell abgestimmte Vorgehensweise aus. Die kann sich auch bei gleicher Diagnose erheblich unterscheiden. Ein Qualitätssicherungsverfahren, das diese Prozesse abbildet, wird sich daran messen lassen müssen, ob es den Psychotherapeuten in der Praxis eine Unterstützung bietet und so die Qualität der Behandlung befördert. Wir haben durchaus Zweifel, ob die durch das IQTIG zu entwickelnden Qualitätsindikatoren hier einen sinnvollen Beitrag leisten können.
Warum?
Was wir ablehnen, ist eine Benchmark der Psychotherapeuten über eine Kennzahl. Eine solche Vorgehensweise hätte letztlich eine Selektion der in die Behandlung aufgenommenen Patienten zur Folge – das lehnen wir ab. Jetzt wird es darum gehen, den Berufsstand in der Umsetzung zu beteiligen und dabei zu berücksichtigen, welche Qualitätssicherung Psychotherapeuten bereits heute betreiben und als hilfreich empfinden – wie etwa Supervision, Intervision, Fortbildung, Testdiagnostik und Dokumentation.
Nachfrage: Warum musste die KBV-Vertreterversammlung eigens einen Beschluss fassen, dass die PT in den Gremien, die das QS-Verfahren entwickeln, präsent sein sollen?
Der entsprechende Paragraf im SGB V wurde ohne die fachliche Expertise der Psychotherapeuten entschieden. Anderenfalls wäre die Fristsetzung zum 31. Dezember 2022 nicht zustande gekommen. Wichtige Evaluationsverfahren der psychotherapeutischen Versorgung, gesponsert vom Innovationsfonds, sind noch nicht abgeschlossen. Deshalb brauchen wir hier eine Fristverlängerung. Dann wird es darum gehen, in welchem Unterausschuss des GBA das zukünftige QS-Verfahren entwickelt wird. Im Unterausschuss Qualitätssicherung des Bundesausschusses wird derzeit die Beauftragung des IQTIG vorbereitet. Hier aber können die niedergelassenen Psychotherapeuten nicht mitentscheiden. Der Unterausschuss Psychotherapie hingegen verfügt naturgemäß über eine ausreichende und ausgewogene psychotherapeutische Kompetenz. Deshalb sollten alle Fragen der Qualitätssicherung dort zusammengeführt, beraten und zur Entschlussfassung durch das Plenum vorbereitet werden.
Mit mehr als 14.300 Mitgliedern ist die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) hierzulande der größte Berufsverband für Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Psychotherapeuten in Ausbildung. Die DPtV ist in Landesgruppen organisiert. Der Verband hat sich erfolgreich für neue Kassensitze vor allem auf dem Land eingesetzt.
Nach der EBM-Reform ist vor der EBM-Reform hat KBV-Chef Dr. Andreas Gassen gesagt. Was erwarten Sie von der nächsten EBM-Runde?
Die zurückliegende EBM-Reform enthält gute Ansätze, wenn die grundversorgenden, sprechenden Leistungen im EBM tatsächlich aufgewertet werden. Die Teilsubventionierung dieser Höherbewertung durch die Abwertung der Grundpauschalen wirkt aber paradox und ist rückgängig zu machen.
Dann wird es darum gehen, die vom Gesetzgeber vorgesehene Aufwertung des ersten Behandlungskontingentes um 15 Prozent umzusetzen und die Einzeltherapie, das Mehrpersonensetting und die Gruppentherapie in der Systemischen Therapie in den EBM zu überführen. Das sind die zu erledigenden Hausaufgaben. Psychotherapeuten bleiben bei gleichem Zeiteinsatz in den Vergütungsmöglichkeiten dennoch weit hinter ihren somatisch tätigen Kollegen zurück. Darüber kann auch eine turnusmäßige nachgelagerte Anpassung der zeitgebundenen psychotherapeutischen Leistungen nicht hinwegtäuschen. Um aber einen Schritt nach vorne zu gehen, brauchen wir ein prospektives Verfahren der Weiterentwicklung der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen mit einer jährlichen Anpassung an die Honorarentwicklung vergleichbarer Facharztgruppen.
Gebhard Hentschel ist seit 25. November Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV). Er ist seit 2001 in eigener Praxis in Münster tätig und engagiert sich seit 1998 berufspolitisch. Seit 2007 ist er Mitglied im DPtV-Bundesvorstand und im Landesvorstand Westfalen-Lippe. Er ist Mitglied in der Vertreterversammlung der KBV und alternierender Vorsitzender des Beratenden Fachausschusses Psychotherapie der KBV.