Gesundheitsminister Spahn
Es gibt keine Zwei-Klassen-Medizin
Bundesgesundheitsminister Spahn sieht keine Ungleichbehandlung von Kassenpatienten im Vergleich zu Privatpatienten. Aufhorchen lässt er mit Äußerungen zum Reiz-Thema Schwangerschaftsabbrüche, die ihm sofort Kritik von vielen Seiten einbringen.
Veröffentlicht:BERLIN. Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn hat den lange von der SPD erhobenen Vorwurf zurückgewiesen, es gäbe in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin.
"Natürlich können sich manche das Einzelzimmer leisten. Entscheidend ist aber, dass niemand eine Behandlung "zweiter Klasse" bekommt", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag": "Auch Kassenpatienten werden auf höchstem medizinischen Niveau behandelt."
Wie im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart, will er aber für eine Ausweitung der Sprechzeiten von Kassenärzten sorgen, damit gesetzlich Versicherte weniger lange auf Termine warten müssen.
Wie ebenfalls von der Großen Koalition beschlossen, kündigte Spahn an, die Demenz-Forschung zu intensivieren. Mit Forschungsministerin Anja Karliczek (beide CDU) will er bereits existierende Forschungsprogramme und Leuchtturmprojekte ausbauen und die Kräfte in Europa bündeln.
Eine Chance liege in der Nutzung von Big Data, sagte er: "Wenn wir die Daten von Millionen Demenzkranken in Europa anonymisiert zusammenführen und auswerten könnten, würden wir bestimmt neue Erkenntnisse erlangen."
Eine weitere Stellschraube seien die Medikamentenpreise: "Die Entwicklung von Medikamenten gegen Demenz muss sich lohnen. Die Preise für neue Arzneimittel müssen so sein, dass es sich lohnt, für echte Innovationen, für wirklichen Fortschritt, etwa bei Demenz, zu forschen", sagte Spahn.
Scharfe Worte zu Schwangerschaftsabbrüchen
Scharfe Äußerungen wählte Spahn beim Reiz-Thema Schwangerschaftsabbrüche. Zu Bestrebungen der SPD, das Werbeverbot für solche Eingriffe abzuschaffen, sagte der Bundesgesundheitsminister der "Bild am Sonntag", ihn wunderten die Maßstäbe: "Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos. Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht."
Von SPD und Opposition erntete er umgehend heftigen Widerspruch. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) betonte: "Ich verlasse mich auf das Wort der Kanzlerin, die zugesagt hat, eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden." Es gehe nicht um Werbung, sondern um Information. "Daran muss jetzt die gesamte Bundesregierung arbeiten", sagte Barley am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Ärzte bräuchten Rechtssicherheit und Frauen Unterstützung in einer Krisensituation. SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte: "Jens Spahns durchsichtige Effekthascherei nervt." SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach warf Spahn vor, mit Zuspitzung zu spalten, was ungut für die Debatte sei.
Junge Union verteidigt Minister
Unterstützung erhielt Spahn von der Jungen Union. "Mit uns wird es keine Erlaubnis geben, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben, weder heute noch in dieser Legislaturperiode", sagte der Vorsitzende der Unions-Nachwuchsorganisation, Paul Ziemiak der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor parteiinternen Beratungen.
"Insofern finde ich die Debatte sogar richtig, dass wir klar sagen, wofür wir stehen." Die Union sei in dieser Frage klar aufgestellt.
Die Fraktionschefs von Union und SPD hatten sich darauf verständigt, dass die Regierung einen Vorschlag in dieser Frage vorlegen soll. Die SPD zog daraufhin einen Antrag für ein Aus des Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a zurück, der Werbung für Abtreibungen verbietet.
Diese sind in Deutschland grundsätzlich verboten, aber in Ausnahmen oder nach Beratung der Frau unter Bedingungen möglich.
Der Paragraf 218ff, der dies regelt, ist ein nach langen Debatten gefundener Kompromiss. Im vergangenen Jahr wurden rund 101.200 Abbrüche vorgenommen.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter monierte, wieder versuche sich Spahn mit Hardliner-Positionen zu profilieren, "diesmal auf Kosten von Frauen in Notlagen und in Gewissensnöten".
Erst kürzlich hatte Spahn mit Äußerungen für Wirbel gesorgt. Da ging es um Hartz-IV-Sozialleistungen, die "nicht Armut" bedeuteten, sondern die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut seien. (dpa)