30. BKK Gesundheitstag
Experte rät bei Kliniklandschaft zur Abrissbirne
Wie kann die stationäre Versorgung verbessert werden? Experten beim BKK-Gesundheitstag nehmen insbesondere kleine Kliniken ins Visier.
Veröffentlicht:München. Wie gelingt ein Richtungswechsel hin zu einem offenen und unvoreingenommenen Gesundheitssystem zum Wohle der Patienten – Mauern bauen oder Segel setzen?
Beim 30. BKK-Tag, zu dem der BKK Landesverband Bayern in München eingeladen hatte, stand der Umgang mit den Schwächen im deutschen Gesundheitssystem auf der Tagesordnung.
Masse statt Klasse
Für radikale Umbaumaßnahmen sprach sich Professor Reinhard Busse aus. In seinem Vortrag und in der anschließenden Diskussion ließ der Professor für Management im Gesundheitswesen an der Fakultät Wirtschaft und Management der TU Berlin die Abrissbirne über der aus seiner Sicht überversorgten deutschen Krankenhauslandschaft schwingen. Seine These: Deutschland habe aufgrund seiner Vielzahl an Krankenhäusern ein massives Qualitätsproblem.
Enorme Verschwendung
„Was wir haben, ist eine riesige Verschwendung von Ressourcen mit schlechtem Ergebnis“, so Busse und ließ Zahlen sprechen: In Deutschland gebe es viermal so viele Stents als in unseren Nachbarländern und doppelt so viele Bypass-Operationen – ohne, dass wir bei der Herzsterblichkeit besser dastünden.
Diese Überversorgung kritisiert auch sein Podiumsnachbar Dr. Martin Marianowitz, Facharzt für Orthopädie und Experte für Rückenleiden. „Die Operationswut am Rücken in Deutschland ist organisierte Körperverletzung auf Kosten der Versichertengemeinschaft.“
Problemfeld Provinzkliniken
Problematisch sind aus Busses Sicht vor allen Dingen die kleineren Kliniken in der Provinz. Wer mitten in der Nacht mit Herzinfarkt zu einem nahe gelegenen Provinzkrankenhaus gebracht wird, dem könne es passieren, dass weder Material noch Facharzt zur Verfügung stehen.
„Zum Beispiel haben nur zwei von fünf Häusern einen Herzkatheter“, so Busse. Vor diesem Hintergrund schlägt er einen radikalen Umbau der Krankenhauslandschaft nach skandinavischem Vorbild vor.
Hätte Deutschland die Krankenhausstruktur von Dänemark mit einem Krankenhaus pro 250.000 Einwohner, wären es 330 gut ausgestattete Häuser mit kompetenter 7/24-Versorgung. Also sein Vorschlag: Kleinere Häuser abreißen und an zentraler Stelle moderne, gut ausgestattete Neubauten.
Klinikschließung – politischer Suizid
Diese Vorgehensweise sei politischer Suizid und daher nicht umsetzbar, widersprach der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bayerischen Landtag, Bernhard Seidenath (CSU). „Wir würden sieben Achtel der Krankenhäuser verlieren, wenn wir das dänische Modell auf Bayern übertragen würden“, so der CSU-Politiker auf dem Podium. „Das hält kein Landrat durch.“
Die Dänen seien auch nicht in Jubel ausgebrochen, als dort im Zuge der Reform Häuser zusammengelegt worden seien, so Busse dazu. Die Reform sei das Resultat eines Prozesses, in den die Bevölkerung einbezogen wurde. Er sei sich sicher, wie die Antwort ausfalle, wenn man Bürger fragt, ob sie lieber eine schlecht ausgerüstete aber schnell erreichbare Klinik hätten oder für bessere Qualität lieber etwas länger fahren würden.
Dr. House aus den Köpfen raus
Auch Sigrid König, Vorständin des BKK-Landesverbandes, zeigt sich überzeugt, dass Veränderungen im Gesundheitssystem durchaus vermittelbar seien. „Wir müssen das Bewusstsein der Menschen verändern und Schwarzwaldklinik und Dr. House aus den Köpfen bekommen.“ Ziel sei es, Patienten dazu zu bekommen, dass sie die Zuständigkeit für eigene Gesundheit wieder stärker übernehmen und nicht wie bisher so oft „an der Klinke zur Arztpraxis oder Klinik abgeben.“