Arndt Striegler bloggt

Forscher fürchten, wenn die Insel zum "Drittland" wird

Universitäten und Forschungseinrichtungen fürchten nach dem Brexit um bestehende Kooperationen mit Kontinentaleuropa. Und die EU-feindliche Presse? Feiert, dass der künftige britische Reisepass wieder blau ist. Wunderliche Zeiten, meint Blogger Arndt Striegler.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Lebt und arbeitet seit 32 Jahren in London: Arntdt Striegler, Korrespondent für die "Ärzte Zeitung" in London.

Lebt und arbeitet seit 32 Jahren in London: Arntdt Striegler, Korrespondent für die "Ärzte Zeitung" in London.

© Privat

Dass ich nichts vom Brexit halte, liebe Leserin, lieber Leser, haben Sie sicherlich schon gemerkt, wenn Sie auch nur gelegentlich meinen Brexit-Blog lesen. Zum einen glaube ich an ein vereintes und starkes Europa. Zum anderen bin ich der Überzeugung als jemand, der seit 32 Jahren in Großbritannien lebt, arbeitet und Steuern zahlt, dass Großbritannien – aber auch die EU – als Folge des Austritts der Briten langfristig schlechter da stehen werden und sowohl politischen und kulturellen als auch wirtschaftlichen Schaden nehmen werden.

Eine Nachricht ließ mich in diesem Zusammenhang in den vergangenen Tagen besonders aufmerken: Großbritannien droht Brüssel offen damit, sich aus diversen pan-europäischen Forschungsprojekten entweder ganz zurückzuziehen oder deutlich weniger investieren zu wollen.

Vom EU-Mitglied zum Drittland

Aktuell geht es um das europäische Satelliten-Programm "Galileo". Kürzlich drohten die Briten, man werde sich zurückziehen, sollte nicht sichergestellt sein, dass London auch nach März 2019 ungehinderten Zugang zu relevanten Informationen aus dem Programm haben wird.

Viele dieser Informationen, die die EU-Staaten untereinander austauschen, sind kommerziell "highly sensitive", wie die Briten das nennen, also kommerziell wichtig und wertvoll. Brexit wird zwangsläufig bedeuten, dass Großbritannien nach über 40 Jahren EU-Mitgliedschaft ein "Drittland" sein wird, also quasi vor der Tür steht, wenn die EU-Länder gemeinsame Sache machen.

Zwar betont die britische Regierungschefin Theresa May immer wieder, sie strebe auch nach dem Brexit eine "enge Zusammenarbeit" auf den Gebieten Forschung und Sicherheit an. Doch das sind bislang nur schöne Worte. Und das Beispiel "Galileo" zeigt, dass der Brexit das Zeug hat, die künftige Zusammenarbeit des Königreichs mit dem restlichen Europa ernsthaft zu torpedieren. Das gilt übrigens nicht nur für die Raumfahrt, sondern auch für andere Forschungsgebiete wie Arzneimittel oder die Grundlagenforschung.

Forschungsmanager in Sorge

Das besorgt mich. Und ich scheine mit meinen Sorgen nicht alleine zu sein, wie mir Gespräche in britischen Universitäten und mit Vertretern anderer Forschungsstätten zeigen. Viele Forschungsmanager sind offenbar so besorgt, was der Brexit für die langfristige Kooperation mit den europäischen Partnern bedeuten könnte, dass vielerorts im Königreich damit begonnen wurde, politikunabhängig neue Bindungen zwischen Forschungsstätten zu formen. Oft geschieht das auf einer sehr persönlichen Basis: Man kennt sich, schätzt und vertraut sich und man möchte auch nach März 2019 weiter gut miteinander zusammen arbeiten.

Und genau deshalb hat mich die Meldung über den Streit beim "Galileo"-Projekt so erschrocken, zeigt sie doch, wie wenig sich Brüssel und London vertrauen. Brüssel deutet an, dass es nicht länger opportun sein könnte, mit dem künftigen "Drittland" Großbritannien wichtige Informationen aus dem Programm zu teilen.

Man fürchte "unweigerlich" negative Folgen für das Forschungsprogramm, heißt es. Damit sagen EU-Vertreter erstmals öffentlich: Wir vertrauen den Briten nicht, auch nach dem Brexit weiterhin sauber zu spielen. Kein gutes Omen für die Zukunft.

Freilich: Schaut man sich dieser Tage in Großbritannien die Berichterstattung über den Brexit an, so wird man nur wenig über die Zukunft der Forschungskooperationen lesen und hören.

Der neue Pass ist blau, nicht rot!

Stattdessen erregen sich die extrem EU-feindlichen auflagenstarken Zeitungen wie "Daily Mail" und "Sun", dass der neue britische Pass, der nach dem Brexit gelten soll, vermutlich nicht von einer britischen Druckerei gefertigt werden wird, sondern von einem französisch-niederländischen Unternehmen.

Immerhin soll der neue britische Pass nach dem Brexit blau und nicht länger EU-rot sein. Das wird auf der Insel als Triumph und Sieg über das Diktat Brüssels gefeiert. Was wohl auch daran liegt, dass vor dem EU-Eintritt 1973 der britische Pass eine blaue Farbe hatte. Komische Zeiten im Königreich.

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