Bayern
Forschung zu Corona wie in Heinsberg – „nur viel größer“
Mit der Gründung eines Expertenrates aus Virologen, Epidemiologen und praktischen Medizinern sowie dem Start eines neuen Forschungsprojektes bringt Bayern wissenschaftliche Expertise im Kampf gegen die Corona-Pandemie ins Spiel.
Veröffentlicht:München. „Wir brauchen mehr Erkenntnisse“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Gemeinsam mit der Virologin Professor Ulrike Protzer, TU München, und dem LMU-Tropenmediziner Professor Michael Hölscher stellte er dazu ein neues Maßnahmenpaket vor. Dabei gehe es nicht nur darum, das tägliche Corona-Management in den Griff zu bekommen. Ziel sei es auch, langfristig neue Erkenntnisse für ein umfassendes Verständnis des Virus auf den Weg zu bringen, so Söder am Freitag bei einer Pressekonferenz.
Vor allen Dingen seien Fakten bei den Fallzahlen wichtig. „Bislang fehlen belastungsfähige Zahlen über die tatsächliche Anzahl der Infektionen“, beschrieb Hölscher die derzeitige Lage. „Wir wollen mit unserer Intensivstudie die Grundlagen für eine Querschnittuntersuchung in ganz Deutschland schaffen“, so Hölscher über die auf ein Jahr angelegte Studie unter seiner Leitung.
Münchner sollen zur Blutprobe
Nach dem Vorbild von Maßnahmen wie sie im nordrhein-westfälischen Heinsberg von Forschern der Uni Bonn durchgeführt worden seien, „nur viel größer“ (Söder) soll jetzt auch in Bayern mittels Blutproben und Fragebögen ermittelt werden, wie viele Menschen sich tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert haben. Als Ort für den ersten Durchlauf wurde München ausgewählt. Später sollen auch ländliche Regionen untersucht werden.
Am Sonntag werden in einigen Münchner Bezirken die ersten von insgesamt 3000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Haushalte Besuch von Mitarbeitern des LMU-Tropeninstituts bekommen, die um eine kleine Blutprobe und das Ausfüllen eines Fragebogens bitten. Um eine Verwechslung mit betrügerischen Trittbrettfahrern auszuschließen, erscheinen diese in Polizeibegleitung.
Repräsentativeres Ergebnis, da kein Hotspot
Man habe sich für München entschieden, weil dort anders als in Tirschenreuth oder den anderen bekannten Hotspots die Infektion nicht im Zuge einer Massenversammlung erfolgt sei, so Hölscher. Damit sei das Ergebnis repräsentativer.Die ersten Resultate sollen schon in vier Wochen vorliegen. Allerdings sollen im Laufe des Jahres in regelmäßigen Abständen weitere Blutentnahmen erfolgen, um ein genaueres Bild zu bekommen. Auch nach dem Ende der Studie sollen die Blutproben archiviert werden, damit sie später, wenn bessere Testverfahren vorliegen, noch einmal genauer analysiert werden können. Seit gestern läuft zudem eine Antikörpertestung und Fragebogenaktion bei bereits infiziertem Klinikpersonal.
Maßnahmen wirken, die Kurve flacht leicht ab
Nach Auffassung der Experten zeigen die drastischen Maßnahmen in Bayern erste Wirkung. „Der Trend ist positiv, die Kurve flacht leicht ab, die Maßnahmen beginnen zu wirken“, beschrieb Söder die Entwicklung in Bayern. Vor den Schulschließungen habe die Verdoppelungsrate 2,5 Tage betragen. Inzwischen sei man bei über sechs Tagen. Das bedeute keineswegs eine Entwarnung, erklärte er zugleich.
Derzeit verlaufe die Entwicklung immer noch exponentiell, bestätigt auch Protzer. „Wir sind aber noch nicht aus der Wachstumskurve heraus“, betonte sie. Gelänge es allerdings, die derzeitige Ansteckungsrate von 1:2 auf 1:1 zu senken, „könnte man das Ganze austrocknen – aber so weit sind wir noch nicht.“