Europäische Union

„Freie Berufe werden sturmreif geschossen“

Früher Ministerpräsident, jetzt Verfassungsrichter: Beim Saarländischen Medizinrechtstag warnt Peter Müller vor Kompetenzüberschreitungen der EU.

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SAARBRÜCKEN. Verfassungsrichter Peter Müller hat die Vertragsärzte aufgerufen, auf der Hut zu sein vor Einschränkungen ihrer Berufsfreiheit durch die Europäische Union.

„Die EU steht der Freiberuflichkeit außerordentlich skeptisch gegenüber“, sagte Müller beim 5. Saarländischen Medizinrechtstag am vergangenen Samstag in Saarbrücken. „Hier werden die freien Berufe Schritt für Schritt sturmreif geschossen“.

Bisher seien die Ärzte unter den Freiberuflern noch geschont worden, doch es gebe eine „Salami-Taktik“. „Ich empfehle ihnen, sehr genau hinzuschauen“. Nach Müllers Ansicht gibt es gute Gründe, die Freiberuflichkeit der Ärzte zu verteidigen. Ärzte kümmerten sich um die Gesundheit der Bevölkerung und nähmen daher ein öffentliches Interesse wahr. Das stehe der Gleichstellung mit einem Gewerbe entgegen.

Die grundgesetzlich verankerte Berufsfreiheit beinhalte für die Ärzte verschiedene Aspekte wie Organisationsfreiheit, Wettbewerbs-, Preis- und Therapiefreiheit. „Die Entscheidung über Diagnose und Behandlung ist grundsätzlich verfassungsrechtlich geschützt“, so Müller.

Der Karlsruher Richter räumte aber auch ein, dass die Berufsfreiheit gesetzlich eingeschränkt werden darf. Dafür müssten aber klare Regeln eingehalten werden. Jeder Eingriff in die Berufsfreiheit müsse begründet werden und demokratisch legitimiert sein. Müller: „Jeder Grundrechtseingriff braucht eine gesetzliche Grundlage“.

Ein Streitfall sei hier der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA). „Es gibt nicht wenige, die sagen, der GBA verfüge nicht über ein ausreichendes Maß an demokratischer Legitimation“, erinnerte Müller. GBA-Entscheidungen hätten zum Teil Auswirkungen großer Tragweite. Er glaube daher, „dass es hier Legitimationsprobleme geben kann“.

Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, beklagte, die Berufsfreiheit gehe in kleinen Teilschritten immer mehr verloren. Als Beispiele nannte er Vorgaben zur Wirtschaftlichkeit, die geplanten neuen Vorschriften zur Mindestzahl von Sprechstunden, die Bedarfsplanung und die „minutiösen Angaben zur Ausgestaltung der Terminservicestellen“. Reinhardt, der auch Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer ist, kritisierte außerdem die Regelungsdichte im Gesundheitswesen. Darunter leide das Arzt-Patienten-Verhältnis. Reinhardt rief daher zu einer „Deregulierungs-Initiative“ im Gesundheitswesen auf.

Verfassungsrichter Müller unterstützte den Vorschlag und forderte gleich eine Ausweitung auch auf andere gesellschaftliche Bereiche. „Wenn ein Problem auftaucht, wird sofort nach Regelungen gerufen“, so Müller. „Ich halte das für eine schlimme Fehlentwicklung.“ (kin)

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