Arznei-Ausgaben

"Früchte des AMNOG beginnen zu reifen"

Die Krankenkassen haben 2012 fast vier Milliarden Euro zuviel für Medikamente ausgegeben, heißt es im neuem Arzneiverordnungs-Report. Die Pharmaunternehmen reagieren vergrätzt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Rund 30 Milliarden Euro geben die Krankenkassen im Jahr für Medikamente aus.

Rund 30 Milliarden Euro geben die Krankenkassen im Jahr für Medikamente aus.

© Ostromec / fotolia

BERLIN. Im laufenden Jahr werden die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel kaum steigen. Das prognostizieren die Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports 2013 (AVR).

Für Medikamente hätten die Kassen gerade einmal 0,3 Prozent mehr bezahlen müssen als im ersten Halbjahr 2012.

"Die Früchte des AMNOG beginnen zu reifen", sagte dazu der Herausgeber des Reports, Professor Ulrich Schwabe.

Im Vorjahr seien die Arzneimittelausgaben der Kassen dagegen um 2,6 Prozent auf 30,6 Milliarden Euro gestiegen, berichtete Schwabe bei der Vorstellung des Reports am Donnerstag in Berlin. 2011 waren die Ausgaben noch rückläufig gewesen.

An der Spitze der Verordnungen stehen die Angiotensinhemmstoffe vor den Antiphlogistika/Antirheumatika. Rückläufig sind ausweislich des Reports Husten- und Erkältungsmittel.

Ausgewertet haben die Autoren 716 Millionen Verordnungen für gesetzlich versicherte Patienten, die 143.066 Vertragsärzte ausgestellt haben.

Der im Springer Verlag erscheindene Report beruht auf Daten des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO). Er erscheint seit 29 Jahren.

Deh: Zwangsrabatt verlängern

Politisch diskutiert werden alljährlich die Einsparpotenziale, die die Herausgeber des Reports Ulrich Schwabe und Dr. Dieter Paffrath aus den Daten errechnen.

In diesem Jahr beziffern sie die Wirtschaftlichkeitsreserven auf 3,7 Milliarden Euro. Allein 2,5 Milliarden hätten durch den Verzicht auf Analogpräparate gespart werden können.

Wissenschaftler und Verbände der Pharmaindustrie werfen den Autoren des AVR regelmäßig methodische Fehler vor. Die Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung der Einsparpotenziale seien nicht transparent.

Der stellvertretende Vorsitzende des AOK-Bundesverbands Uwe Deh prognostizierte für 2014 einen Anstieg der Arzneimittelkosten um 8,9 Prozent. Er plädierte dafür, den seit August 2010 auf 16 Prozent erhöhten Zwangsrabatt in Kombination mit eidem Preismoratorium um zwei Jahre zu verlängern.

Dem widerspricht der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa): Für das laufende Jahr rechnet er mit Arzneiausgaben von 29,4 Milliarden Euro, 2014 mit 31,3 Milliarden Euro, das wäre ein Plus von 6,4 Prozent.

Mit den 48 frühen Nutzenbewertungen nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) haben die Kassen bislang 120 Millionen Euro gespart.

"Kein Flaschenhals für Innovationen"

Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), Josef Hecken, bezifferte die möglichen Einsparungen binnen der kommenden fünf Jahre auf insgesamt zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro.

"Das AMNOG ist kein Flaschenhals für Innovationen", sagte Hecken. Es helfe aber, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Masse neu auf den Markt kommender Medikamente halte nicht, was die Hersteller versprächen.

Mit dem AMNOG habe der Gesetzgeber nur scheinbar vorgegeben, den Nutzen von Arzneien zu bewerten. In Wirklichkeit gehe es darum, Kosten in der GKV zu sparen, kommentierte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa) Birgit Fischer die Aussagen des AVR.

"Es mehrt sich der Eindruck, dass es um Rationierung geht", sagte Fischer am Donnerstag. Frontal griff sie den GBA an: Das AMNOG brauche ein Monitoring eines wissenschaftlichen Beirats, forderte sie.

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