Hintergrund

Geldspritze für junge Allgemeinärzte wirkungslos

76 Millionen Euro verpufft: Mit diesem Betrag haben KVen und Kassen 2010 die allgemeinmedizinische Weiterbildung gefördert - bislang ohne großen Erfolg. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
KVen und Kassen wünschen sich mehr junge Allgemeinmediziner - doch die Förderung wirkt bisher nicht.

KVen und Kassen wünschen sich mehr junge Allgemeinmediziner - doch die Förderung wirkt bisher nicht.

© Peter Atkins / fotolia.com

Insgesamt 76 Millionen Euro haben Kassenärztliche Vereinigungen, gesetzliche und private Krankenkassen im Jahr 2010 in die Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung gesteckt.

Vor dem Hintergrund eines absehbaren Mangels an Hausärzten zumindest in ländlichen Regionen und Problembezirken von Ballungsgebieten wurde die Förderung im Jahr 2010 kräftig aufgestockt:

Pro Weiterbildungsstelle in der ambulanten Medizin stieg der monatliche Förderungsbetrag von 2040 auf 3500 Euro, in Krankenhäusern von 1020 auf 1750 Euro.

500 Euro pro Monat werden extra gezahlt für Weiterbildungsstellen in unterversorgten Gebieten, 250 Euro zusätzlich fließen, wenn Unterversorgung droht.

Außerdem wurde die bis Ende 2009 geltende Obergrenze von 3000 geförderten Stellen gestrichen.

Finanzielle und strukturelle Instrumente

Neben dieser monetären Subventionierung werden strukturell wirkende Instrumente eingesetzt, um die allgemeinmedizinische Weiterbildung zu fördern:

Auf Landesebene werden Koordinierungsstellen errichtet, in denen KVen, Kassen und Kammern, gegebenenfalls auch die Lehrstühle oder Institute für Allgemeinmedizin, zusammenarbeiten.

Das wichtigste Ziel ist, die der allgemeinmedizinischen Weiterbildung eigentümliche Rotation durch mehrere medizinische Disziplinen sowie durch die ambulante und stationäre Medizin möglichst lückenlos und ohne Zeitverlust zu organisieren.

Dabei wird - schon gängige Praxis - auf das Know-how universitärer Einrichtungen der Allgemeinmedizin zurückgegriffen.

Was hat die Förderung der Allgemeinmedizin, so wie sie 2010 praktiziert worden ist, gebracht? Das Ergebnis ist eher ernüchternd, wie der gestern vorgelegte Evaluationsbericht für das Jahr 2010 zeigt.

Ergebnis der Förderung ernüchternd

In den Praxen niedergelassener Ärzte wurden insgesamt 3263 Ärzte in allgemeinmedizinischer Weiterbildung gefördert. Dies sind Kopfzahlen. Entscheidend ist deren Umrechnung in Vollzeit-Äquivalente, denn nur die zeigen das zukünftig zu erwartende Versorgungspotenzial.

Und hier ist der Trend rückläufig: Im Jahr 2008 lag das Vollzeit-Äquivalent bei 1993 Stellen, im Jahr 2009 bei 1832 Stellen und im Jahr 2010 bei 1809 Stellen.

Das ist binnen zwei Jahren ein Minus von rund zehn Prozent.

In der stationären Versorgung wurden insgesamt 1923 Ärzte in der Allgemeinmedizin weitergebildet. Das entspricht einem Vollzeit-Äquivalent von 1173 Stellen.

Einen weit überproportionalen Anteil an der Weiterbildungsleistung hat Bayern übernommen: Insgesamt 681 junge Ärzte streben hier das Berufsbild des Allgemeinarztes an. Das sind mehr als 20 Prozent des hausärztlichen Nachwuchses.

Die Sonderförderung in unterversorgten Gebieten greift nicht. Und lediglich in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gibt es 18 und 26 junge Ärzte, die in von Unterversorgung bedrohten Gebieten tätig sind.

"Allgemeinmedizin" ist weiblich

Eines zeigt die Evaluation mit aller Deutlichkeit: Es sind ganz überwiegend Frauen, die in die Allgemeinmedizin streben.

Der Frauenanteil in der allgemeinmedizinischen Weiterbildung liegt bei fast 71 Prozent.

Das hat gravierende Folgen für die Organisation und Dauer der Weiterbildung. Von den 960 Ärzten absolvieren nur 78 - das sind rund acht Prozent - ihre Weiterbildung in Teilzeit.

Unter den 2298 Ärztinnen praktizieren dies 756 - und das sind 33 Prozent.

Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass in Zukunft mit erheblichen Unterkapazitäten in der Allgemeinmedizin zu rechnen ist.

2010 gab es lediglich 1085 neu anerkannte Allgemeinärzte, von denen aber möglicherweise ein nicht geringer Anteil nur in Teilzeit arbeiten wird.

Insgesamt wurden rund 10.500 Fachärzte neu anerkannt. Das heißt: Nur jeder Zehnte ist Allgemeinarzt.

Will heißen: Die Allgemeinmedizin braucht noch viel und lange Aufbaukost.

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Kommentare
Dr. Marcel Marquardt 11.04.201215:23 Uhr

Vielleicht sollten Politiker

mal die Texte zu Basel II und Basel III lesen?
Demnach bekommt kein Arzt mehr eine Praxisfinanzierung, da die Sollbruchstelle Eigenkapital und Cash-Flow nicht stimmen!
Vielleicht sollten die Damen und Herren in Berlin und in den KV''en mal darüber nachdenken? Ohne Kapitaldeckung wird es keine funktionierende Praxis mehr geben. Ob nun Land - oder Stadtarzt.
Letztere nach Vernichtung der PKV auch nicht mehr lange.....

Dr. Gerhard Kraus 05.04.201208:49 Uhr

Geldgierige junge Allgemeinärzte?

76 Mill. Euro haben die Jungärzte schon bekommen, und wollen trotzdem nicht weiter als Allgemeinärzte arbeiten? Unfassbar! Oder SOLL ich als unbedarfter Leser die Überschrift falsch verstehen? Handelt sich nur um beabsichtigte, aber nicht geflossene Geldströme? Zwar wurde die Förderung aufgestockt, aber zumindest in unserer Region finden sich kaum Weiterbildungsassistenten für Allgemeinmedizin. Wo sind die Millionen denn jetzt tatsächlich?

Carl Scherer 05.04.201207:43 Uhr

Niemand klaren Verstandes wird sich das antun

Sie haben vollkommen recht, Herr Fries!
Ihre Darstellung trifft vollkommen zu. Wir brauchen keine Zuschüsse,
add-ons und Förderungsmassnahmen, wir brauchen eine korrekte Bezahlung
unserer Leistungen nicht mit Muschelgeld, sondern harter Währung.
Aber ich fürchte,es ist schon zu spät.
Auch die Hausarztverträge bringen nur Dumpinglöhne dank der gegen uns
gerichteten Politik von Gelb und Schwarz.

Dr. Bernhard Fries 04.04.201219:36 Uhr

Wen wundert das ???

In erster Linie muß nicht die Förderung der Weiterbildung finanziell aufgestockt werden, sondern die Entlohnung des fertigen Allgemeinarztes. Was nutzt denn ein KV-Zuschuss für den werdenden Arzt, wenn der Arzt sein Berufsleben lang mit einem RLV von nicht mal 40 Euro/Quartal abgespeist wird und der Durchschnittsertrag pro Patient seit Jahr und Tag um die 50 Euro/Quartal liegt.... Wer dann noch wie so viele Jungärzte den Praxiskauf voll finanzieren muss, kommt die nächsten 20 Jahre kaum ins Trockene, bei 50 - 60 Wochenstunden und aufreibender anstrengender fordernder Arbeit. Die Anforderungen, diese 50 E/Quartal/Patient überhaupt zu erwirtschaften, werden von Jahr zu Jahr größer, beispielhaft wird hier nur die neue Sonographie-Richtlinie, das QM oder die Onlineanbindung erwähnt. Wer soll sich das denn alles klaren Verstandes antun ?

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