"Krude und wirr"

Hausärzte-Verband bürstet Ideen der Fachärzte ab

Hausärzte-Verbandschef Ulrich Weigeldt hält die Vorschläge der Fachärzte für undurchdacht und für ein rein politisches Manöver.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
SpiFa gegen Hausärzte: Wer gehört zur Grundversorgung?

SpiFa gegen Hausärzte: Wer gehört zur Grundversorgung?

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BERLIN. Der Deutsche Hausärzteverband wertet den Vorstoß des Spitzenverbands Fachärzte Deutschland (SpiFa) zur "Grundversorgung" als realitätsfern und gefährlich. Am Montag hat der SpiFa in einem Grundsatzpapier gefordert, die hausärztliche Versorgung neu zu denken. Hausärzte allein könnten absehbar ihrem Versorgungsauftrag bald nicht mehr nachkommen. Deshalb müsse die Bedeutung von Fachärzten in der "Grundversorgung" aufgewertet werden, so der SpiFa.

"Ziemlich wirr" findet Hausärzteverbandschef Ulrich Weigeldt das Papier. "Es werden eine Menge steiler Thesen in den Raum geworfen, ohne die Konsequenzen für die Patientenversorgung zu bedenken", sagte Weigeldt der "Ärzte Zeitung".

So unterscheidet der SpiFa etwa zwischen unimorbiden und multimorbiden Patienten. Nur die letzte Gruppe benötige eine Koordination durch den Hausarzt. Diese Einteilung nennt Weigeldt "krude, unpraktikabel und gefährlich": "Soll denn dabei die psychosoziale Gesamtsituation der Patienten überhaupt keine Rolle mehr spielen?", fragt der Verbandschef. Durch solche Vorschläge werde "Chaos produziert" – besser wäre es, sich gemeinsam für eine vernünftige Strukturierung der Versorgung einzusetzen, fordert er.

Arrogante Auffassung

Weigeldt ärgert, dass im Papier des Fachärzte-Verbands "Grundversorgern" alle nötigen Qualitäten der Primärversorgung zugesprochen werden. Das sei "eine arrogante Auffassung und eine völlige Geringschätzung der fünfjährigen Weiterbildung" von Allgemeinärzten.

Hinzu komme, dass im SpiFa-Papier unklar bleibe, welche Facharztgruppen als Grundversorger tätig werden.

Für Unmut sorgt im Hausärzteverband, dass versucht wird, aus regionalen Engpässen in der hausärztlichen Versorgung Kapital zu schlagen. Sein Verband habe beispielsweise beim Förderprogramm Allgemeinmedizin immer wieder mit massiven Widerständen in einzelnen Ärzteverbänden zu kämpfen gehabt.

Unterstützung bei der Sicherung der hausärztlichen Versorgung wäre "ein wirkliches Signal für eine zukunftsorientierte Versorgung".

Mit Blick auf die politische Wirkung des SpiFa-Papiers sieht Weigeldt keinen Grund für Aktionismus. "Wir werden in keinen Wettstreit um die abwegigsten Vorschläge einsteigen", sagt er. Zudem stehe mit der hausarztzentrierten Versorgung ein Angebot zur Verfügung, das "nachgewiesenermaßen die Qualität der Versorgung verbessert".

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Kommentare
Wolfgang Bensch 23.06.201721:28 Uhr

Wenn das multiaxiale System die Nosologie ablöst

dann werden wir sicher dazu einen kompetenten Beitrag vom geschätzten Dortmunder Kollegen lesen können - so hoffe ich mal!
Das führt zwangsläufig zur Anpassung der ICD-Nomenklatur und wird die Treffsicherheit diagnostischer Zuordnung rasant steigern, wobei natürlich das Studiendssign noch verfeinert werden muss.

Thomas Georg Schätzler 21.06.201710:47 Uhr

Traumberuf SpiFa-Mitglied?

Allein den Vorstoß des Spitzenverbands Fachärzte Deutschland (SpiFa) zur "Grundversorgung" auf die Unterscheidung zwischen unimorbiden und multimorbiden Patientinnen und Patienten gründen zu wollen, beschreibt trefflich den SpiFa-Elfenbeinturm:

Dann müssten ja HNO-Ärzte bei Schnupfen u n d Husten mit dem Stethoskop Herz und Lunge abhorchen, eine Lungenembolie, Bronchitis, Pneumonie o.ä. ausschließen, die Kardiologen in jeden Hals, Nase und Ohr schauen, die Orthopäden Aorten-Aneurysmen und periphere Pulse checken, die Psychiater physikalisch untersuchen, die Augenärzte kardiovaskuläre Risikoprofile zusätzlich erstellen und Pathologen Reanimationsversuche starten.

Nein, liebe SpiFa-Experten, den unimorbiden Patienten gibt es nur in der Theorie, in der Nosologie wirkt sich jede Art von Erkrankung auch auf andere Organsysteme aus.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Jürgen Schmidt 21.06.201710:17 Uhr

Wenn zwei sich streiten ...

Ob die hausarztzentrierte Versorgung "nachgewiesenermaßen die Qualität der Versorgung verbessert" ist eine unbewiesenen und von vielen Beobachtern, auch einigen Krankenkassen bezweifelte Behauptung, schon deshalb, weil auch nur ein Teil der Patienten primär den Hausarzt in Anspruch nimmt.

Auf einen Wttstreit der Behauptungen und Pseudoargumente sollte man sich nicht einlassen. Irgendwann wird sich die Arztfreundlichkeit der Regierung nach einem Wechsel umkehren, auch möglich, dass man wieder Sparnotwendigkeiten sieht, dann wird die Spaltung der Ärzteschaft zum Letalfaktor für die Vergütung.
Die Zeiten, dass man im abgesteckten Claim besser überlebt, sind dann ohnehin vorbei. Berufspolitisch stragisches Denken verbietet den Fachgruppenstreit. Eine gute Kooperation, wie in der Versorgung größtenteils üblich, muss auch in der Berufspolitik wieder beachtet werden.

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