Kommentar

Heilt eine Fettsteuer die Unvernunft?

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

Der Alarmruf der Diabetes-Organisationen in Deutschland hat eine starke Berechtigung. Adipositas und Diabetes sind eine Bedrohung für die Volksgesundheit, mit millionenfachem Leid, mit Milliarden-Folgekosten. Mehrere Koalitionen haben dem wachsenden Problem hilf- und tatenlos zugesehen. Prävention blieb bislang eine Sache von Sonntagsreden.

Allerdings: Wirksame Prävention ist schwierig. Und einfache Lösungen gibt es nicht. Das gilt insbesondere für die Vorstellung, mit einer Steuer auf fetthaltige und gesüßte Lebensmittel Ernährungsverhalten wirksam beeinflussen zu können.

Im Unterschied zum Tabak, der schon in kleinen Portionen gefährlich ist, gibt es keine ungesunden Nahrungsmittel an sich. Butter, Sahne, Camembert mit 60 Prozent i. Tr. oder auch Schokolade und Pralinen sind, in Maßen genossen, nicht ungesund.

Gesunde Ernährung ist, ganz unideologisch betrachtet, eine Frage der Menge und der Vielfalt. Welche Lebensmittel sollte man also konkret besteuern? Schon jetzt besteht heilloses Wirrwarr bei der Differenzierung zwischen voller und ermäßigter Umsatzbesteuerung.

Das zweite Problem: Wie sollte die Steuer konstruiert sein? Der Vorschlag, den vollen Mehrwertsteuersatz auf stark gesüßte und fetthaltige Produkte zu erheben, geht fehl. Aus einem einfachen Grund: Fett ist billig. Bestraft wird, wer hochwertiges Olivenöl für den Salat nimmt.

Ein zehn Prozent höherer Preis für Billig-Fett vom Discounter, in dem die Pommes gebacken werden, dürfte hingegen kaum spürbar sein. Genau das wäre aber gesundheitspolitisch kontraproduktiv, weil Verbraucher erfahrungsgemäß zugunsten billiger Lebensmittel substituieren.

Eine wirksame Verhaltensänderung würde eine Steuerbelastung erfordern, die zu einem Aufschrei führen würde - und sozialpolitisch nicht mehr vertretbar wäre. Man vergegenwärtige sich das Beispiel der Tabaksteuer.

Der Steueranteil bei Fertigzigaretten liegt inzwischen in der Größenordnung von 60 Prozent des Verkaufspreises. Binnen zwölf Jahren ist die Tabaksteuer mehr als verdoppelt worden. Das war wirksam vor allem bei Jugendlichen, unter denen der Anteil der Raucher in den Jahren zwischen 2001 und 2008 von 28 auf 18 Prozent zurückgegangen ist.

Von 2002 bis 2013 ist der Absatz versteuerter Zigaretten von 139 auf 80 Milliarden gesunken. Der tatsächliche Konsum ist aber höher - aufgrund gestiegenen Schmuggels. Auf 22 Milliarden unversteuerte Zigaretten wird der Schwarzmarkt taxiert.

Kann es einen solchen Schwarzmarkt für fette süße Lebensmittel geben? Durchaus. Dänemark hat eine Kaloriensteuer abgeschafft. Es wurde zu viel geschmuggelt.

Lesen Sie dazu auch: Diabetes: Verbände fordern Zucker-Fettsteuer

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 17.08.201408:48 Uhr

Völlig richtig verehrter Herr Laschet

Das "zuviel" ist das Schädliche, alle die nicht "zu viel" essen werden mitbestraft.
Und wenn man hier eine Auswahl besonders süßer Leckereien treffen sollte,
wo ist da de Grenze???
Das besonders ärgerliche wäre, noch mehr Steuern für den unfähigen Staat, der mit Geld nicht umgehen kann.

Anne C. Leber 22.07.201408:56 Uhr

Leserzuschrift von Dr. Franz Scharte

Erhard Siegel: Wir essen zu viele Kalorien
Soll er es lassen. Was mir dazu noch einfällt:
Gesund ist, was Diabetologen empfehlen.
Moralisten jetzt auch bei den Diabetologen. Es reicht ein Pastor.

Unvernunft kann keiner durch Steuererhöhungen beseitigen.
Hat je ein Gesetz oder eine Verordnung das Verhalten von Menschen geändert? Denken von oben nach unten: Wir da oben wissen schon, was richtig ist. Wohl aber das Verhalten von Beamten, vielleicht demnächst auch das von Diabetologen.
Wie dumm muss ein Diabetologe sein, der so was fordert .....z.B. Steuern auf Zuckerwatte auf dem Jahrmarkt... und die Bratwurst am Stand etwa? Glühwein: Teufelszeug auf dem Weihnachtsmarkt! Auch noch gesüsst.....
Vielleicht brauchen die Diabetologen nur mal Öffentlichkeit(Sommerloch in der Presse genutzt). Ihr Kommentar hätte bissiger ausfallen können.
Richtig: "Es gibt keine ungesunden Nahrungsmittel an sich"

Freundlichst
Ihr Genießer
Dr. Franz Scharte,
Allgemeinarzt,
Harsewinkel

Anne C. Leber 18.07.201411:12 Uhr

Leserzuschrift von Dr. Friedrich Methfessel

Die Idee einer Fettsteuer ist wirklich nicht durchdacht und ich hätte von der DDG solch einen Vorschlag nicht erwartet.
Der Kommentator hat in seinen Ausführungen völlig recht, dabei wäre zu ergänzen, dass Steuern auf Waren immer im Nirwana des Staatshaushaltes verschwinden und nicht zweckgebunden bleiben.
Die Tabak-/Alkoholsteuern landen ja nicht im Gesundheitswesen – wobei die Preise für Tabakwaren und Alkoholartikel noch erheblich gesteigert werden sollten – zu Gunsten des Gesundheitssystems.

Zweckmäßiger wäre die Diskussion des individuellen Risikozuschlages bei den GKV-Beiträgen wieder aufzunehmen: z.B. Raucher + 10 Prozent, BMI > 35 + 10 Prozent mit verpflichtender Vorstellung der GKV Versicherten beim Hausarzt 1x pro Jahr zur Evaluation. Das würde zugleich den Hausärzten die Möglichkeit geben der individuellen präventiven Beratung und nicht, dass der Patient immer erst kommt, wenn er dann wirklich krank ist.
Dr. Friedrich Methfessel,
Holzminden

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