An der Belastungsgrenze

Hilferuf der Berliner Intensivmediziner

In einer Stellungnahme prangern Berliner Intensivmediziner schlechte Arbeitsbedingungen mit Arbeitszeiten von mehr als 80 Stunden pro Woche an.

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Ärzte kümmern sich um einen Corona-Patienten auf einer Intensivstation. Intensivmediziner in Berlin haben in einem Brandbrief ihre Arbeitsbedingungen beklagt.

Ärzte kümmern sich um einen Corona-Patienten auf einer Intensivstation. Intensivmediziner in Berlin haben in einem Brandbrief ihre Arbeitsbedingungen beklagt.

© Oliver Dietze / dpa

Berlin. Seit der Corona-Pandemie sind die Intensivmediziner in den Kliniken besonders gefordert. Bis zu 80 Stunden pro Woche sowie an zwei Wochenenden im Monat müssten Berliner Intensivmediziner arbeiten, heißt es in einer Stellungnahme der Ärztinnen und Ärzte. Unterzeichnet wurde sie bisher von mehr als 2350 Unterstützern.

Bereits vor der Pandemie sei es zu Arbeitsverdichtung gekommen, die vergangenen 20 Monate ohne Aussicht auf rasche Besserung machen die Ärzte nun hoffnungslos. Die angeprangerte Situation gebe es berlinweit und betreiberunabhängig. „Diese schlechten Arbeitsbedingungen sind begründet in der Vergütung der medizinischen Leistungen und unserem eigentlich leistungsfähigen, aber zunehmend überlasteten Gesundheitssystem mit dem Zwang gewinnbringend zu wirtschaften“, heißt es seitens der Intensivmediziner.

80 Stunden Arbeit pro Woche

Auf den Intensivstationen würden sie nicht selten pro Woche 80 Stunden verbringen sowie an zwei vollen Wochenenden pro Monat arbeiten. „An Wochenenden und Feiertagen sind es meist 13 Stunden pro Tag, sodass keine Zeit für Familie und Freunde mehr bleibt.“ Auch das Wohl der Patientinnen und Patienten käme dadurch zu kurz. Während in anderen Berufen eine Begrenzung der Arbeitszeit gelte, etwa für Piloten, gelte dies für sie nicht: „Uns Intensivmediziner:innen, die ständig Verantwortung für Menschenleben tragen, wird eine angemessene Arbeitszeitbegrenzung jedoch verwehrt.“

Zwar würden sie ihre Arbeit als Beitrag für die Gesellschaft sehen, jedoch seien sie nun über die vielen Monate hinweg über die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht worden. Deshalb wollen sie diese Arbeitszustände nicht länger hinnehmen. „Wir sind keine Helden, wir sind Menschen, und wir möchten auch wie Menschen behandelt werden“, fordern die Berliner Intensivmediziner.

Völlige Überlastung herrscht laut der Stellungnahme bei den Kollegen, die sich auf den Intensivstationen um die schweren Corona-Fälle kümmern müssen. Hätte dies etwa durch einen Lockdown verhindert werden können? Noch Anfang Dezember erklärte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI): „Als Intensiv- und Notfallmediziner sehen wir keine andere Möglichkeit, als sofort bundesweit einheitliche notbremsende Maßnahmen zur größtmöglichen Kontaktbeschränkung zu fordern. Das kann – wenn notwendig – auch ein zeitlich begrenzter Lockdown sein.“

Gaß: Lockdown nicht haltbar

Die Situation sei in den Krankenhäusern weiterhin sehr angespannt. „Aber ein genereller Lockdown für alle wäre angesichts der ungleichen Risiken für Geimpfte und Ungeimpfte nicht verhältnismäßig und daher auch juristisch nicht haltbar“, sagt Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der „Ärzte Zeitung“. Da Ungeimpfte den größten Teil der Corona-Patienten in Kliniken ausmachen würden, müsste das Hauptaugenmerk nun auf der Steigerung des Impftempos liegen. „So können wir den Trend zu sinkenden Inzidenzen und aktuell auch weniger COVID-Neuaufnahmen auf den Intensivstationen verstetigen“, so Gaß.

Die DIVI setzt derweil auf die Beschlüsse der Ministerpräsidenten-Runde. „Ein neues Allzeithoch rund um Weihnachten ist aber unvermeidbar“ so deren Präsident Professor Gernot Marx. Die Auswirkungen der Maßnahmen würden aber anschließend zum Jahreswechsel zu einer spürbaren Entlastung für die Mitarbeitenden der Intensivstationen führen. Ob diese Entlastung für die Berliner Intensivmedizinern rechtzeitig kommt, bleibt abzuwarten. (mas)

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