Vor dem Impfgipfel

Höheres Corona-Impftempo befeuert Debatte um Priorisierung

Laut Bundesgesundheitsministerium können Ärzte in dieser Woche erstmals über zwei Millionen Impfdosen in Praxen verabreichen. Die Rufe nach Aufhebung der Impf-Reihenfolge werden unterdessen lauter.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
Wer ist schneller mit der Impfung dran, wer muss warten? Der Druck, die Priorisierung aufzuheben, wird größer.

Wer ist schneller mit der Impfung dran, wer muss warten? Der Druck, die Priorisierung aufzuheben, wird größer.

© Patrick Pleul/dpa

Berlin. Das Tempo der Coronavirus-Impfungen in Deutschland zieht deutlich an. Schon in dieser Woche (17. KW) könnten in den Arztpraxen erstmals über zwei Millionen Dosen verimpft werden, heißt es in einer Vorlage des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für den heutigen Impfgipfel von Bund und Ländern. Bei der virtuellen Konferenz im Kanzleramt soll es außer der Impfkampagne auch um Sonderrechte für Geimpfte oder Genesene gehen.

Mittlerweile beteiligten sich über 65.000 Ärzte an der Impfkampagne, heißt es in der Vorlage des BMG. In der kommenden Woche (18. KW) sollten die Ärzte gut drei Millionen Dosen verabreichen können. Zum Vergleich: Zu Beginn des Einstiegs der Hausärzte in die Corona-Impfkampagne Anfang April hatten diese rund 940.000 Dosen geliefert bekommen. Beteiligt waren damals rund 35.000 Praxen.

Die 450 Impfzentren erhalten den Angaben zufolge im Mai und im Juni wöchentlich 2,25 Millionen Impfdosen. Laut BMG haben die Hersteller für das zweite Quartal insgesamt 80 Millionen Impfdosen zugesagt – davon entfallen 50 Millionen Dosen auf den Hersteller BioNTech/Pfizer.

Laut Impfquoten-Monitoring des Robert Koch-Instituts (RKI) sind in Deutschland bislang 23,4 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft worden.

Privatärzte müssen sich gedulden

Privatärzte könnten „noch nicht Teil der Impfkampagne sein“, schreibt das BMG. Zunächst sei zu diesem Zweck ein Register oder vergleichbares Verfahren zur „Authentifizierung von Privatarztpraxen“ zu schaffen.

Zudem sei es für das Impfquoten-Monitoring des RKI erforderlich, dass Impfungen zeitnah in die Impfstatistik des Bundes einflössen. Dazu sei die Anbindung der Privatpraxen erforderlich. Zu beiden Themen sei man aber mit den Verbänden der Privatärzte und der Bundesärztekammer (BÄK) im Gespräch.

„Spätestens im Juni“ könnten dank aufwachsender Liefermengen auch Betriebsärzte routinemäßig mitimpfen, schreibt das BMG. Wie Vertragsärzte sollten die Werksärzte die Impfdosen regulär über Apotheken beziehen. In einigen Bundesländern sind Betriebsärzte bereits jetzt über Projekte am Impfen beteiligt.

Reinhardt: Priorisierung aufheben

Die Meldungen über ein höheres Impftempo befeuern derweil die Debatte über eine Aufhebung der Impfreihenfolge. BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt sprach sich dafür aus, die Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen möglichst rasch aufzuheben.

Für Ärzte bringe die Einhaltung der Priorisierung großen organisatorischen Aufwand mit sich, sagte Reinhardt im „Deutschlandfunk“ am Montag. Erhielten die Praxen demnächst mehr Impfdosen, könnte die Priorisierung die Ärzte beim Impfen stark aufhalten, sagte Reinhardt.

Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, forderte mehr Entscheidungsfreiheit für Ärzte bei der Priorisierung. „Schließlich kennen sie ihre Patienten am besten.“ Wichtig sei, dass den Praxen genügend Impfstoff bereitgestellt werde „anstatt die Impfzentren weiter so stark zu priorisieren“.

Sozialverband: Impf-Prio nicht übereilt streichen

Der Sozialverband VdK Deutschland warnte dagegen vor einer übereilten Aufhebung der Impf-Prio. Noch warteten zu viele Menschen auf einen Impftermin. Darunter seien etliche in hohem Alter, mit schweren Vorerkrankungen oder mit Behinderungen, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele am Montag. Risikogruppen seien dringend auf Impfschutz angewiesen. Die Hausärzte sollten betroffene Patienten daher gezielt ansprechen, forderte der Verband.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt betont, möglicherweise könne die Priorisierung im Juni fallen. Dies sei allerdings abhängig vom Verlauf der Impfkampagne sowie noch ausstehenden Lieferzusagen. In der Vorlage des BMG für die Bund-Länder-Konferenz heißt es zudem: „Gleichwohl werden angesichts der zu erwartenden Liefermengen nicht alle Impfwilligen bereits im Juni geimpft werden können, die Impfkampagne wird sich wie geplant in den Sommer erstrecken.“

Kritik von Pflegeverbänden

Pflegeverbände kritisierten, dass noch nicht alle Pflegefachkräfte gegen Corona geimpft seien. „Es ist für mich unverständlich, warum nach wie vor fünf Millionen Impfdosen ungenutzt eingelagert werden, während andernorts die Infektionszahlen steigen und auch noch immer nicht alle Pflegefachpersonen geimpft sind“, sagte das Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer, Dr. Markus Mai, am Montag. Solange es noch eine Priorisierung gebe, müsse es Ziel sein, möglichst viele Menschen durch Impfung vor einer Infektion zu schützen.

Unterdessen meldete das RKI am Montag weitere 11.907 Neuinfektionen mit dem Corona-Virus binnen 24 Stunden – 470 mehr als vor einer Woche. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz lag den Angaben zufolge bei 169,3.

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