BSG

Hoher Säumniszuschlag der Kassen ist gerechtfertigt

Wer seine gesetzliche Krankenversicherung nicht bezahlt, dem brummen die Krankenkassen einen Säumniszuschlag von fünf Prozent pro Monat auf. Wucher, klagen viele Betroffene. Alles korrekt, sagen die Richter des Bundessozialgerichts.

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Das Bundessozialgericht in Kassel sieht den Säumniszuschlag der Krankenkassen von fünf Prozent pro Monat nicht als verfassungswidrig an.

Das Bundessozialgericht in Kassel sieht den Säumniszuschlag der Krankenkassen von fünf Prozent pro Monat nicht als verfassungswidrig an.

© Bernd Schoelzchen / dpa

KASSEL (mwo). Hunderttausende Freiberufler und Selbstständige mit geringem Einkommen bleiben in der Beitragsfalle der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der hohe Säumniszuschlag von monatlich fünf Prozent ist nicht verfassungswidrig, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) am Mittwoch in Kassel. Der Kläger will nun das Bundesverfassungsgericht anrufen.

In dem Streit geht es um die seit April 2007 versicherungspflichtigen Geringverdiener ohne Arbeitsverhältnis. Wenn sie keine Beiträge zahlen, dürfen die Krankenkassen sie nicht mehr ausschließen und müssen trotzdem Leistungen erbringen.

Jährlicher Säumnis-Zins bei 60 Prozent

Auf rückständige Beiträge erheben die Kassen einen Säumniszuschlag von monatlich fünf Prozent. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes soll der Zuschlag nach den gesetzlichen Vorgaben nur auf die Beiträge selbst erhoben werden; der jährliche Säumnis-Zins beträgt dann 60 Prozent.

"Das bezeichne ich als strafbaren Wucher", sagte die Anwältin des Klägers vor dem BSG. Der hohe Zuschlag sei gleichheitswidrig und wirke "erdrosselnd" auf die verfassungsrechtlich verbürgte Handlungsfreiheit der Versicherten ein.

Nach ihren Angaben verdient ihr Mandant als selbstständiger Restaurator in Brandenburg nur 600 Euro pro Monat. Der Mindestbeitrag für die sogenannten Selbstzahler bemisst sich aber nach einem Einkommen von heute 1864 Euro. Davon 15,5 Prozent ergeben einen Mindestbeitrag von 288,92 Euro.

Im Streitfall geht es um rückständige 650 Euro aus dem Jahr 2007. Der Restaurator bezahlte die Beiträge, den Zuschlag aber nur in Höhe von monatlich einem Prozent.

In dieser Höhe ist ein Zuschlag in der öffentlichen Verwaltung üblich, etwa bei der Finanzverwaltung oder bei den Krankenkassen gegenüber Arbeitgebern.

Ein "sachlich gerechtfertigtes Druckmittel"

Wie nun das BSG entschied, muss der Restaurator den Zuschlag in Höhe von monatlich fünf Prozent bezahlen. Dies liege noch im "weitreichenden sozialpolitischen Entscheidungsspielraum" des Gesetzgebers.

Er sei ein "sachlich gerechtfertigtes Druckmittel", weil die Kassen säumige Zahler nicht mehr rauswerfen dürfen und Leistungen auch ohne Beitrag gewähren müssen.

Zudem sei der Verwaltungsaufwand hoch. Mit anderen Bereichen, etwa der Finanzverwaltung, sei der Säumniszuschlag der Krankenkassen "wegen der Besonderheiten der gesetzlichen Sozialversicherung" nicht vergleichbar, so die Richter.

Betroffen sind mehrere Hunderttausend Freiberufler und Selbstständige mit meist geringem Einkommen. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes lagen die Rückstände im Juni bei 1,77 Milliarden Euro.

1,6 Millionen Beitragskonten sind nicht ausgeglichen, wobei ein Versicherter mehrere offene Konten haben kann.

Az.: B 12 KR 3/11 R

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Per Kassenzuschlag zu Hartz IV

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