Arndt Striegler bloggt
Ich darf auf der Insel bleiben! Das gilt nicht für alle EU-Bürger
Unser Blogger Arndt Striegler sagt Danke: Er darf auch über März 2019 hinaus auf der Insel leben und arbeiten. Unterdessen wächst im britischen Gesundheitswesen die Personalnot – eines von vielen durch den Brexit geschaffenen Problemen.
Veröffentlicht:
Bloggt für die "Ärzte Zeitung" regelmäßig aus London: Arndt Striegler.
© privat
LONDON. Das neue Jahr hat gleich mit einem Paukenschlag begonnen! Und es ist ausnahmsweise mal etwas Positives: Nach monatelangem Bangen, zig ausgefüllten Formularen, dutzenden Telefonaten mit dem britischen Innenministerium und einigen, schier endlosen Besuchen bei britischen Behörden wie dem neuen "European Passport Return Service", der praktischerweise bei mir um die Ecke liegt, erhielt ich Anfang des Jahres die frohe Nachricht: Mein Antrag auf permanentes Bleiberecht im Königreich auch nach dem Brexit ist genehmigt.
Damit gehen für mich persönlich 18 bange Monate zu Ende, in denen unklar war, ob ich – nach immerhin 32 Jahren leben und arbeiten in Großbritannien – auch nach März 2019 weiterhin in diesem Land sein darf. Auch die Rentenansprüche und die gesundheitliche Versorgung in den mir noch verbleibenden Jahren scheinen damit geklärt und abgesichert.
5000 EU-Bürger abgeschoben
Der Grund, warum ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, dies gerne mitteilen möchte, ist eine andere Meldung, die mich kürzlich aufschreckte. "Im Jahr 2017 wurden mehr als 5000 EU-Staatsbürger gegen deren Willen aus Großbritannien abgeschoben." Eine Zahl, die die Aktionsgruppe "3 Millionen Plus", die hier in Großbritannien die Rechte der über drei Millionen auf der Insel lebenden EU-Bürger vertritt, alarmierte und zu Protestkundgebungen veranlasste.
Zwar haben EU-Bürger wie ich dank der großzügigen EU-Regeln das Recht, in Großbritannien leben und arbeiten zu dürfen. Was das britische Innenministerium, das von einer ausländerfeindlichen und nicht sonderlich sympathischen Ministerin namens Amber Rudd geleitet wird, allerdings nicht daran hinderte, tausende EU-Bürger trotzdem des Landes zu verweisen.
Oft geschah das laut "3 Millionen Plus" unter äußerst fadenscheinigen Vorwänden wie zum Beispiel dem, die abzuschiebende Person sei "obdachlos". Zwar ist Obdachlosigkeit meines Wissens weder laut britischen noch laut EU-Gesetzen strafbar. Trotzdem wurden im vergangenen Jahr hunderte obdachlose EU-Bürger aus Großbritannien abgeschoben. Widerrechtlich, wie kürzlich ein hohes britisches Gericht feststellte. Erst nach diesem Urteil wurden die Abschiebepraktiken gestoppt.
Es sind Meldungen wie diese, die seit Monaten die britische Debatte über den bevorstehenden Brexit prägen. Und es ist genau diese Art von negativen Schlagzeilen, die dafür gesorgt haben, dass Großbritanniens Image als das liebenswerte Land, in dem die Queen verlässlich seit Jahrzehnten täglich um 17 Uhr ihren Afternoon Tea serviert bekommt, angekratzt ist.
Was wiederum negative Folgen sowohl für das Land und dessen Wirtschaft, als auch für das staatliche britische Gesundheitswesen (National Health Service, NHS) hat. In Zahlen sieht das so aus: Im vergangenen Jahr kündigten beispielsweise 101 in der EU ausgebildete und qualifizierte Mitarbeiter des NHS-Rettungswesens ihren Job. Diese Zahl mag auf den ersten Blick nicht sonderlich alarmierend scheinen in einem großen Land wie Großbritannien.
Personalnot in der Notfallmedizin
Bedenkt man freilich, dass landesweit im staatlichen Rettungswesen rund 700 EU-Bürger arbeiten, dann bedeutet das, dass 2017 jeder siebte seinen Job in der Notfallmedizin gekündigt hat. Viele dieser qualifizierten Mitarbeiter haben das Land inzwischen verlassen und dementsprechend groß ist die Not in der Notfallmedizin in diesem Winter.
Regelmäßig tauchen derzeit in den britischen Medien Berichte auf, wonach Schwerkranke bis zu vier Stunden auf einen Rettungswagen warten müssen. Einige Patienten sterben, bevor sie vom "NHS Ambulance Service" erreicht werden.
Abgeordnete des britischen Parlaments sind angesichts dieser Missstände inzwischen derart alarmiert, dass sie das Thema "Exodus von EU-NHS-Personal" jüngst im Londoner Unterhaus auf die Tagesordnung setzen ließen. "Das sind schlimme Entwicklungen und es steht zu befürchten, dass sich die Abwanderung von dringend benötigtem und in der EU qualifiziertem Gesundheitspersonal in den kommenden Monaten weiter beschleunigen wird", sagt Danny Mortimer. Mortimer gehört der Organisation "Cavendish Coalition" an, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Brexit-Folgen für das britische Gesundheitswesen kritisch zu beobachten.
Die den Liberalen angehörende Politikerin Judith Jolly fasst das ganze wie folgt zusammen: "Medizinisch qualifizierte EU-Bürger retten in unserem Land täglich viele Patientenleben. Wir sind gut beraten, dafür zu sorgen, dass sich diese EU-Bürger auch nach dem Brexit bei uns weiter wohlfühlen." 2018 wird zeigen, ob dies gelingt.