Otmar Wiestler

Individualisierte Krebsmedizin hat große Chancen

Für jeden Patienten genau die Behandlung anzubieten, die er - und nur er - auch wirklich braucht: ein völlig unrealistisches Ziel? Die Realität zeigt, die Fortschritte in der Krebsmedizin scheinen unaufhaltsam voranzuschreiten.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:

BERLIN. "Das Feld der Krebsmedizin befindet sich in einer ungeheuren Bewegung." Mit dieser positiven Botschaft brachte Professor Otmar D. Wiestler bei der Eröffnung des Hauptstadtkongresses am Mittwoch den Kern seines Referats auf den Punkt.

Wiestler ist Vorsitzender und wissenschaftliches Mitglied des Stiftungsvorstands des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg (DKFZ). Thema seines Vortrags: "Chancen und Möglichkeiten einer individualisieren Krebsmedizin."

"Ärzte wissen seit langem, dass Krankheiten bei Patienten individuell sehr unterschiedlich verlaufen können und deshalb auch individuell behandelt werden müssen", sagte er.

Allerdings seien Krankheitsprozesse lange nicht ausreichend verstanden worden, um diese Herausforderungen anzugehen. Mittlerweile aber sei die Forschung so weit, dass sie Gründe finde für die individuell sehr unterschiedlichen Verläufe bei derselben Krankheit.

Maßgeschneiderte Verfahren

In Zukunft werde es möglich sein, maßgeschneiderte Behandlungsverfahren zu entwickeln. Der Traum der Medizin, der seit Jahrhunderten besteht, könnte aus Sicht von Wiestler wahr werden: "Für jeden Patienten genau die Behandlung anzubieten, die er - und nur er - auch wirklich braucht."

Wiestler lieferte eine präzise Erklärung dafür, warum gerade die Krebsmedizin bei der Umsetzung des Gedankens einer maßgeschneiderten und personalisierten Diagnostik im Vergleich zu allen anderen Bereichen der Medizin am weitesten fortgeschritten ist: Durch die Krebsforschung sei in den letzten Jahrzehnten enorm viel über die individuellen Unterschiede in den Entstehungswegen derselben Krebserkrankung bei zwei unterschiedlichen Patienten gelernt worden.

Außerdem sei es der Krebsforschung wie kaum einem anderen Forschungsgebiet gelungen, durch Erkenntnisse der Grundlagenforschung völlig neue, zielgerichtet ansetzende Behandlungsverfahren zu entwickeln.

Die Herausforderungen für die Zukunft sind groß, und ein Schlüssel ist aus Sicht von Wiestler Kooperation. Unterschiedlichste Partner sollen gemeinsam an einem Strang ziehen, und die Industrie müsse unbedingt einbezogen werden.

Wie erfolgreiche Zusammenarbeit funktionieren kann, erläuterte Wiestler an einem konkreten Beispiel. Das DKFZ, das Uniklinikum und die Medizinische Fakultät Heidelberg sowie die Deutsche Krebshilfe haben mit dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in den letzten zehn Jahren das führende Comprehensive Cancer Center in Deutschland etabliert.

Therapien intelligent kombinieren

"Vor allem im Bereich der Genomforschung haben Wissenschaftler aus dem DKFZ und NCT entscheidende Impulse für die Entwicklung einer individualisierten Krebsmedizin gesetzt", sagte Wiestler. Ab 2015 soll jedem Patienten im NCT eine Erbgutanalyse und darauf aufbauend eine individuelle Therapieempfehlung angeboten werden.

Wiestler geht davon aus, dass künftig sehr viel mehr Informationen über die Tumorerkrankung benötigt werden als heute. Seine Prognose: Es wird nicht mehr lange dauern, bis man nicht nur ausgewählten Patienten, sondern auch standardmäßig die Analyse des gesamten Erbgutes der Krebszellen anbieten wird .

Das größte Zukunftspotenzial liegt aus seiner Sicht in der intelligenten Kombination herkömmlicher und neuer Therapieverfahren.

Dieser Ansatz könne es ermöglichen, bösartige und erst in einem späten Tumorstadium diagnostizierte Krebserkrankungen über längere Phasen zu kontrollieren - sie könnten in ein chronisches, beherrschbares Stadium der Erkrankung überführen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Welchen Spielraum es gibt

Patienten rechtssicher ablehnen: So geht’s

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Abb. 1: Finale Analyse der SPOTLIGHT-Studie zum fortgeschrittenen, Claudin-18.2-positiven und HER2-negativen Adenokarzinom des Magens/AEG: Gesamtüberleben (PPS-Population)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Zolbetuximab: Standardtherapie bei CLDN18.2+/HER2− Magenkarzinomen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt

Bei Grenzentscheidungen (z.B. kürzlich stattgehabte Operation) gelte es, Rücksprache mit der entsprechenden Fachdisziplin zu halten, betont Dr. Milani Deb-Chatterji.

© stockdevil / iStock

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse