Geschlechtsangleichende Operationen

"Interdisziplinarität ist bei Operation entscheidend!"

Im Interview mit der "Ärzte Zeitung" erklärt Dr. Bernhard Liedl Fortschritte und Risiken bei der operativen Geschlechtsangleichung.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Was sind die wesentlichen Risiken für die Patienten bei einer geschlechtsangleichenden Operation?

Dr. Bernhard Liedl: Zunächst einmal werden die Eierstöcke beziehungsweise Hoden entfernt, damit sind die Patienten dauerhaft zeugungsunfähig. Dann gibt es noch jeweils spezifische Probleme, die auftreten können. Ein Risiko kann schon dadurch entstehen, dass einige Patienten versuchen, möglichst viel auf einmal zu machen. Aber je mehr Wundfläche vorhanden ist, umso höher sind Risiken für Nachblutungen. Es können Bluttransfusionen notwendig werden und Schmerzsyndrome auftreten.

Vor Kurzem gab es in Berlin einen Fall, wo ein Patient fünf Tage lang auf der Intensivstation lag. Das kann es nicht sein. Man muss so operieren, dass die Blutungen überschaubar sind. Das Ziel für die Bluttransfusion ist de facto null. Es lohnt sich nicht, wenn ein Patient eine Op einsparen möchte und dafür unnötig hohe Risiken eingeht.

Welche Schwierigkeiten sind bei der Operation von Mann zu Frau möglich?

Liedl: Bei Mann-zu-Frau-Operationen gibt es ganz selten Verletzungen des Rektums im Zuge der Neovagina-Bildung. Dieses Problem versuchen wir zu minimieren, indem wir bei allen Patienten vorher den Darm reinigen, also spülen. Wenn doch einmal ein Loch entsteht, kann man es nähen. Das heilt in der Regel ab. Entsteht eine Darm-Scheiden-Fistel, ist das aufwendiger. Da braucht man dann einen künstlichen Ausgang, vorübergehend, bis das Loch wieder verheilt ist.

Dr. Bernhard Liedl

"Interdisziplinarität ist bei Operation entscheidend!"

© Christina Bauer

Studium der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, approbiert 1978.

Weiterbildung Urologie, Facharzt 1987

Chefarzt der Urologischen Hauptabteilung an der Chirurgischen Klinik München-Bogenhausen seit 2007.

Weitere Informationen: http://tinyurl.com/jdgwd73

Möglich ist außerdem ein Schrumpfen der Scheide, sodass man diese neu aufbauen muss. Oder dass die Klitoris nekrotisch wird.

Welche Risiken birgt die Operation von Frau zu Mann?

Liedl: Bei den Operationen Frau-zu-Mann ist die Harnröhre das Schwierigste. Dort treten auch die meisten Komplikationen auf, etwa Harnröhren-Haut-Fisteln oder Harnröhrenverengungen. Das haben wir aber relativ gut im Griff. Es gibt Narbenschrumpfungen, durch die das Penoid krumm wird. Wir haben da aber schon viele Verbesserungen entwickelt.

Sind sonst noch Probleme möglich?

Liedl: Der schlechteste Fall ist natürlich, wenn ein Patient oder eine Patientin nach der Operation das vorherige Geschlecht wiederhaben möchte. Der Eingriff ist nicht reversibel. Zudem bedeutet das viele unnötige Belastungen. In mittlerweile 25 Jahren hatte ich einen solchen Fall, bei einer Frau-zu-Mann-Operation. Da konnte ich dann eine Neovagina machen. Aber Eierstöcke und Gebärmutter, sowas kann ich natürlich nicht hineinzaubern. Der weitere Verlauf war dann aber, soweit ich weiß, in Ordnung. Die Frau wollte sowieso nicht Mutter werden.

Gibt es etwas, das als Fortschritt besonders hervorzuheben ist?

Liedl: Bei der Harnröhre haben wir in den letzten Jahren viel erarbeitet, und gute Lösungen gefunden. Da gibt es eine ganze Reihe neuer, plastischer Eingriffe. Eine hohe Qualität ist wichtig. Immerhin müssen die Patienten um die 50 Jahre mit dem Ergebnis leben.

Denken Sie, in dem Bereich wird es in nächster Zeit Entwicklungen geben?

Liedl: Natürlich, klar. Hier ist Interdisziplinarität entscheidend. Wenn ein plastischer Chirurg ohne urologische Ausbildung einen solchen Eingriff macht, geht das oft schief. Wir arbeiten zusammen, plastische Chirurgie, Urologie und Gynäkologie. Jeder bringt seine Kenntnisse ein. Die Urologen dominieren die Abteilung. Das ist sinnvoll, da sie die Funktionalität der Organe verstehen. Die plastischen Chirurgen tragen bei, was sie gut können, entsprechend meinen Vorgaben.

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