Bertelsmann-Studie zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung

Interessengruppen blockieren sich gegenseitig

Eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung lässt vermuten, dass nachhaltige Gesundheitsreformen mehrheitsfähig wären. Sie zeigt aber auch, wie empirische Sozialforschung die Richtung vorgeben kann.

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Gütersloh. „Die Bundesbürgerinnen und -bürger sehen dringenden Handlungsbedarf bei der Transformation des Gesundheitswesens.“ So das Fazit der Bertelsmann Stiftung aus einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage vom April dieses Jahres unter 1505 Erwachsenen.

Wie die Stiftung am Donnerstag mitteilt, erwarten demnach zwei Drittel der Teilnehmer (77 Prozent), dass sich auf Basis des sozialrechtlichen und organisatorischen Status Quo die Gesundheitsversorgung in den nächsten zehn Jahren verschlechtern wird. Der Antwortvorgabe, „im Gesundheitswesen sind einschneidende Reformen nötig“, stimmten 91 Prozent zu („eher“ 27 Prozent, „voll und ganz“ 64 Prozent).

Bezüglich möglicher Ursachen der Misere, legten die Meinungsforscher den Umfrageteilnehmern nur die Erklärungsoption vor, es gehe „nicht voran, weil sich die Interessengruppen gegenseitig blockieren“. Dieser Einschätzung stimmten 75 Prozent zu (33 Prozent „eher“, 42 Prozent „voll und ganz“). Immerhin 18 Prozent der Befragten ließen sich von der Suggestivkraft der Antwortvorgabe nicht beeindrucken und stimmten ihr ausdrücklich nicht zu (Rest: „weiß nicht“).

Wie volatil Meinungsumfragen insbesondere auch zum Gesundheitswesen ausfallen können, zeigt sich an der Bereitschaftsbekundung der Befragten, gesellschaftliche Mehrausgaben zuzugestehen. Auf einer Skala von -5 („sehr viel weniger“) bis +5 („sehr viel mehr“) belegte demnach hinter dem Politikbereich „Bildung“ (+3,7) die „Gesundheitsversorgung“ mit +3,2 den zweiten Platz – gleichauf mit „Alterssicherung“. Allerdings befürworteten die Teilnehmer ebenso für acht weitere Politikbereiche (Armutsvermeidung, Wohnen, Rüstung, Familienförderung etc) mehr oder weniger höhere Staatsausgaben. Nach der Bereitschaft, Steuer- und Abgabenerhöhungen mitzutragen, wurde allerdings nicht gefragt.

Gesundheitsversorgung ist „hohes Gut“

„Moderate bis sehr hohe Mehrausgaben in allen Politikbereichen sind nicht realistisch“, kommentiert die Bertelsmann Stiftung dieses Teilergebnis. Zu erklären sei es mit „Zufallsfehlern, die bei jeder stichprobenbasierten Befragung auftreten“. Ablesen lasse sich an der Bereitschaft zu Mehrausgaben aber doch, dass „die Gesundheitsversorgung für die Menschen ein hohes Gut“ sei, heißt es weiter.

Bei Fragen zu konkreten Gesetzgebungsvorhaben wie der Krankenhausreform legten die Teilnehmer gleichfalls ein weiträumiges Zustimmungsverhalten an den Tag: So wollte sich etwa eine deutliche Mehrheit (89 Prozent) mit der Antwortvorgabe anfreunden, „kleinere Krankenhäuser auf dem Land sollten unbedingt erhalten bleiben“. Zugleich bejahten 69 Prozent die Aussage, in Sachen Gesundheitsversorgung sei es „am wichtigsten, dass vor Ort ausreichend Arztpraxen vorhanden sind. Ein Krankenhaus wäre zwar gut, ist aber nicht zwingend nötig“.

80 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, mit der Zusammenlegung zweier kleinerer Kliniken zu einem größeren Haus einverstanden zu sein, wenn es dadurch gelinge, „die Behandlungsqualität zu verbessern“. 87 Prozent würden längere Anfahrtswege zu Kliniken oder Praxen in Kauf nehmen, wenn sie dafür „von einem Spezialisten mit besonders viel Erfahrung behandelt werden“. (cw)

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