NORAH-Studie zu Fluglärm

Jetzt mach' mal halblaut?

Ungesund, aber nicht so schlimm wie angenommen: So lassen sich die Ergebnisse der NORAH-Studie speziell zum Fluglärm zusammenfassen. Über manche der Resultate gerät man allerdings arg ins Grübeln.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Nicht nur Fluglärm, auch Straßen- und Schienenlärm erhöht bestimmte Gesundheitsrisiken.

Nicht nur Fluglärm, auch Straßen- und Schienenlärm erhöht bestimmte Gesundheitsrisiken.

© Eray / fotolia.com

FRANKFURT AM MAIN. Wenn ein Verursacher von Lärm eine Studie zu den gesundheitlichen Folgen von Lärm bezahlt und sich hinterher mit den Ergebnissen zufrieden zeigt, regt sich Skepsis.

Dabei ist es keineswegs so, dass Resultate der Studie mit dem Namen NORAH ("Noise-Related Annoyance, Cognition and Health") zu den Auswirkungen von Verkehrslärm insbesondere rund um den Flughafen Frankfurt allein schon deswegen unglaubwürdig wären, weil die Untersuchung vom Flughafenbetreiber Fraport und der Lufthansa mitfinanziert worden sind. Und es ist ja auch nicht so, dass sich der Lärm durch Autos, Züge und Flieger in der Studie als harmlos erwiesen hätte.

Wie die NORAH-Wissenschaftler unter Federführung von Rainer Guski (Ruhr-Universität Bochum) und Dirk Schreckenberg (Zentrum für angewandte Psychologie, Umwelt- und Sozialforschung, Hagen) berichten, erhöht Fluglärm das Risiko, an einer Depression zu erkranken.

Auch steigt die Gefahr, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden beziehungsweise eine Herzinsuffizienz zu entwickeln (wir berichteten). Der Einfluss von Straßen- und Schienenverkehr sei hier höher als der durch den Luftverkehr verursachte Lärm, schreiben die Forscher in ihrer Stellungnahme.

Ob man diese Risiken als "minimal" einstufen sollte, wie es Fraport in einer ersten Reaktion auf die NORAH-Ergebnisse getan hat, sei dahingestellt.

Und dass Johann Dietrich Wörner aus den Resultaten die beruhigende Botschaft herausliest, "dass die von vielen befürchteten schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Flugverkehr im Rhein-Main-Gebiet nicht zu erkennen sind", hängt vielleicht ein wenig mit seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender des Frankfurter "Forum Flughafen & Region" zusammen. Doch selbst wenn dies Argwohn weckt, muss es noch nicht falsch sein.

Ergebnis widerspricht bisheriger Lärmforschung

NORAH ist bereits in der Vergangenheit vorgeworfen worden, interessengebunden zu sein. Guski hat dafür sogar Verständnis geäußert, aber darauf hingewiesen, man müsse unterscheiden zwischen dem Interesse an Fragestellungen und jenem an Ergebnissen. Einen Auftrag, bestimmte Ergebnisse zu erzielen, gebe es nicht.

Dem NORAH-Team zu unterstellen, bestimmte Interessen zu bedienen - geschenkt. Der Grund für die Skepsis liegt ohnehin anderswo, nämlich in den Ergebnissen, die NORAH zur Wirkung von Verkehrslärm auf den Blutdruck und die Herzfrequenz zutage gefördert hat. Eigentlich hatten die Forscher hier signifikante Effekte erwartet.

"Diese konnten jedoch im Rahmen der umfangreichen und sorgfältigen Untersuchungen nicht nachgewiesen werden", heißt es in der Stellungnahme von Guski und Schreckenberg. Das widerspricht bisherigen Ergebnissen der Lärmforschung und wirft die Frage auf, welche Methodik NORAH zugrunde lag.

Die NORAH-Forscher arbeiteten mit einem Blutdruckmonitoring über eine Dauer von 21 Tagen mit telemetrischen Messgeräten. Blutdruck und Herzfrequenz wurden dabei von den Probanden selbst gemessen.

Dieser Methode und ihren Resultaten steht beispielsweise das Vorgehen Mainzer Forscher um Thomas Münzel gegenüber, die sich mit den biologischen Mechanismen der Verbindung nächtlichen Fluglärms mit kardiovaskulären Erkrankungen beschäftigt hatten.

Der Aufwand war erheblich, eingesetzt wurden Polysomnografie, Pulstransitzeit, sonografische Vermessung der Brachialis-Dilatation und die Bestimmung der Adrenalinkonzentration im Blut.

Fluglärm beeinträchtigte die Endothelfunktion

Münzel und sein Team haben ihre Ergebnisse vor zwei Jahren publiziert (Eur Heart J 2013; 34: 3508-3514). Sie konnten zeigen, dass bereits nach einer einzigen Nacht mit Fluglärmexposition die Endothelfunktion beeinträchtigt ist.

Parallel dazu erhöhte sich der Adrenalinspiegel, die Schlafqualität nahm ab und der Blutdruck stieg. Münzel und Kollegen stellten damit die Resultate epidemiologischer Studien, wonach die Exposition gegen Fluglärm mit erhöhter Hypertonieprävalenz assoziiert ist, auf eine biologisch plausible Grundlage.

Den Ergebnissen von NORAH hat Münzel auch bereits widersprochen, vor allem, wie zu erwarten, jenen Teilresultaten, die sich mit den Effekten auf den Blutdruck befassen. "Fluglärm ist ein neuer Herzkreislauf-Risikofaktor, den weder wir als Ärzte noch die Patienten beeinflussen können, sondern nur die Politik", sagte der Mainzer Wissenschaftler.

Andere Forscher äußerten sich erleichtert, eine Mitwirkung an NORAH abgelehnt zu haben, oder äußerten Entsetzen über die Methodik der Studie.

Doch auch wenn vieles dafür spricht, dass Krach den Blutdruck steigen lässt: NORAH ist keineswegs die einzige Studie, in der kein Zusammenhang zwischen Fluglärm und Hypertonie zu erkennen war.

Restlos geklärt ist die Assoziation nämlich auch nach Jahrzehnten der Lärmforschung nicht. Das war aber schon vor NORAH so. Und es wird auch danach noch lange so bleiben.

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