Großbritannien
Johnson erwägt Ärzteausbildung im Crash-Kurs
Britische Regierung überlegt angesichts des Ärztemangels, die neuen Freiheiten als Nicht-EU-Staat radikal zu nutzen.
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Der britische Premierminister Boris Johnson – hier auf dem Weg zu einer Kabinettssitzung an der Universität Sunderland – hatte vor seiner Wahl im Dezember versprochen, innerhalb der kommenden fünf Jahre 6000 neue Ärzte einzustellen.
© Paul Ellis/PA Wire/dpa
London. Der Brexit ist gerade rund zwei Tage alt, da zeichnet sich ab, dass der EU-Ausstieg tiefgreifende Folgen für die ärztliche Aus- und Fortbildung im Königreich haben könnte. So ist im Gespräch, Apotheker in einer Art Crash-Kurs zu Ärzten fortzubilden.
Wie die „Ärzte Zeitung“ in London aus verlässlicher Quelle erfuhr, gab es bereits erste Gespräche im Gesundheitsministerium mit dem Ziel, mehr qualifizierte Ärzte für den staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) zu rekrutieren.
Im NHS sind derzeit mehr als 100.000 Stellen unbesetzt, darunter tausende Ärzteposten. Premierminister Boris Johnson hatte vor seiner Wahl im Dezember versprochen, innerhalb der kommenden fünf Jahre 6000 neue Ärzte einzustellen.
Bei den Gesprächen wurde dem Vernehmen nach „intensiv diskutiert“, wie man „die ärztliche Ausbildung umfassend reformieren“ könne. Da nach dem Brexit die europäischen Vorgaben für das Königreich nicht länger gelten würden, sei es „denkbar“ und „naheliegend“, die ärztliche Ausbildung zu verkürzen und auch zu vereinfachen.
Mehrfach wurde offenbar über die Möglichkeit diskutiert, britische Apotheker zu ermuntern, sich zum Arzt weiterbilden zu lassen. Das sei „wesentlich sinnvoller“, als Jung-Akademiker zu motivieren, Arzt zu werden. Im Königreich gibt es eine Überversorgung mit Apotheken.
Dem Vernehmen nach soll in Kürze damit begonnen werden, konkrete Pläne aufzulegen, wie die ärztliche Ausbildung nach dem 31. Dezember 2020, wenn die Brexit-Übergangsphase endet, rasch reformiert und verkürzt werden kann.
Bis zum 31. Dezember ist Großbritannien laut EU-Ausstiegsvertrag an die bisherigen EU-Vorgaben gebunden. Danach sind für Medizinstudierende unter anderem mindestens 5500 Ausbildungsstunden über einen Zeitraum von fünf Jahren vorgeschrieben.
Die britische Ärzteschaft sieht die Pläne äußerst kritisch und warnte am Wochenende vor einer „gefährlichen Hauruck-Aktion“, die zu Lasten der Qualität der Patientenversorgung gehen könnte. (ast)