Reformbedarf

Karagiannidis: Fachkräftemangel wohl größere Belastung als Corona-Pandemie

Der Intensivmediziner Professor Christian Karagiannidis fordert „strukturierte Migration im großen Stil“, um dem Mangel an Pflegekräften zu begegnen. Er warnt vor Versorgungslücken.

Veröffentlicht:
Selbst, wenn jetzt grundlegende Reformen auf den Weg gebracht würden, würden die nächsten zehn Jahre „sehr schmerzhaft“, warnt Intensivmediziner Professor Christian Karagiannidis.

Selbst, wenn jetzt grundlegende Reformen auf den Weg gebracht würden, würden die nächsten zehn Jahre „sehr schmerzhaft“, warnt Intensivmediziner Professor Christian Karagiannidis. (Archivbild)

© Kay Nietfeld / dpa / picture alliance

Berlin. Ohne grundlegende Reformen drohen im deutschen Gesundheitssystem nach Einschätzung des Intensivmediziners Professor Christian Karagiannidis Versorgungslücken und hohe Kosten. „Die Pandemie war nicht schön, aber im Vergleich zu dem, was die nächsten zehn Jahre auf uns zukommt, war das das deutlich kleinere Problem“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin der „Wochentaz“. Karagiannidis ist auch Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung.

In allen Berufsgruppen gingen pro Jahr rund 500.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Rente, erklärte Karagiannidis. Millionen Stellen würden nicht nachbesetzt. „Diese Arbeitskräfte fehlen als Pflegekräfte, sie fehlen als Beitragszahler – das wird noch völlig unterschätzt. Und sie werden selbst zu Pflegefällen. Das ist ein Teufelskreis, aus dem wir erst in ungefähr zehn Jahren wieder rauskommen.“

Lesen sie auch

Selbst, wenn jetzt grundlegende Reformen auf den Weg gebracht würden, würden die nächsten zehn Jahre „sehr schmerzhaft“, sagte Karagiannidis voraus und warnte: „Wenn wir damit nicht anfangen, crasht das Gesundheitssystem.“ Das bedeute, dass Patienten nicht mehr flächendeckend gut versorgt werden könnten. Die Ausgaben im Gesundheitsbereich stiegen jetzt schon überproportional zum Bruttoinlandsprodukt. „Wenn das so weitergeht und die demografische Dynamik dazu kommt, dann wird die Gesundheitsversorgung für die Menschen mit unteren und mittleren Einkommen nicht mehr bezahlbar.“

Große Personallücken sind zu schließen

Allein Arbeitsplätze in der Pflege attraktiver zu machen, genüge angesichts der demografischen Entwicklung nicht zur Schließung von Personallücken, so Karagiannidis. „Das Einzige, was die Zahl der Arbeitskräfte erhöhen würde, wäre strukturierte Migration im großen Stil.“ Bisher habe Deutschland vor allem fertig ausgebildete Pflegekräfte ins Land geholt. „Die gehen lieber in andere Länder, weil die Willkommenskultur in Deutschland nicht so top ist, da muss man ehrlich sein.“

Er plädierte dafür, in Ländern mit hohen Geburtenraten und einer hohen Jugendarbeitslosigkeit ein Programm aufzusetzen, das junge Menschen direkt nach der Schule nach Deutschland holt. „Nach der dreijährigen Ausbildung sollen sie selbst entscheiden, ob sie hierbleiben oder ins Heimatland zurückkehren. Aber das müsste jetzt schnell gehen, und dafür müsste sich erheblich was ändern in Deutschland.“ (dpa)

Mehr zum Thema

KHK-Diagnostik

G-BA-Beschluss zum Herz-CT tritt in Kraft

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Verschiedene Gesichter

© Robert Kneschke / stock.adobe.com / generated with AI

Seltene Erkrankungen

GestaltMatcher – Per Gesichtsanalyse zur Orphan Disease-Diagnose

Künstliche Intelligenz gilt auch in der Medizin als Schlüsseltechnologie, mit deren Hilfe zum Beispiel onkologische Erkrankungen stärker personalisiert adressiert werden könnten.

© Kanisorn / stock.adobe.com

EFI-Jahresgutachten 2024 übergeben

KI: Harter Wettbewerb auch in der Medizin

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Digitalisierung und Medikamente

Apotheker entwickelt eigene E-Rezept-App

Antikörper macht‘s möglich

Zähne einfach nachwachsen lassen – wie beim Hai?

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer