Appel an Ernährungsminister

Kinderärzte wollen Werbung für Zuckerbomben eindämmen

Hier ein TV-Spot, dort ein hipper Clip auf YouTube oder Instagram: Auf Kinder prasselt täglich Werbung für Ungesundes ein. Pädiater und Verbraucherschützer nehmen die Ampelregierung in die Pflicht – und rufen nach gesetzlicher Regulierung.

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Neu und vor allem süß: Kinderärzte und Verbraucherschützer fordern unter anderem ein Werbeverbot bei ungesunden Kinderprodukten.

Neu und vor allem süß: Kinderärzte und Verbraucherschützer fordern unter anderem ein Werbeverbot bei ungesunden Kinderprodukten.

© Myst / stock.adobe.com

Berlin. Ärzte und Verbraucherschützer machen Druck beim Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel. „Die Zeit drängt“, heißt es in einem Appell an Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne), den der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Verbraucherorganisation foodwatch und die Deutsche Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) am Montag veröffentlicht haben.

Konkret fordert das Bündnis eine Werbepause für ungesunde Lebensmittel im TV, Internet und Radio tagsüber zwischen 6 und 23 Uhr. Ungesunde Produkte sollten zudem grundsätzlich nicht mehr unmittelbar für Kinder beworben werden dürfen – etwa mit Comicfiguren oder Spielzeugbeigaben. Mehr als 330 Kinder- und Jugendärzte machten bei der Online-Aktion bereits mit, hieß es.

„Industrie torpediert Bemühen um gesunde Ernährung“

Özdemir müsse zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem das Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel „umfassend“ beschränkt werde, sagte BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach. Die Lebensmittelindustrie mache täglich auf sämtlichen Kanälen gezielt Werbung für „Zuckerbomben und fettige Snacks“. Die Folgen bekämen Kinder- und Jugendärzte in ihren Praxen zu sehen. Fälle von extremen Übergewicht und Typ-1-Diabetes bei jungen Menschen häuften sich häuften sich.

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Mit ihrem Marketing für Süßigkeiten oder Limonaden im Fernsehen, im Radio und auf Online-Plattformen torpedierten die Hersteller das Bemühen vieler Eltern, ihre Kinder gesund zu ernähren, kritisierte Fischbach. In der Corona-Pandemie habe sich die Lage noch zugespitzt.

Fischbach verwies dazu auch auf den kürzlich erschienenen Kinder- und Jugendreport 2022 der DAK-Gesundheit. Demnach ist die Zahl der neu diagnostizierten Adipositas-Fälle bei Jungen in den Jahren 2019 bis 2021 um 15 Prozent gestiegen. Dies betreffe sowohl die Gruppe der 5- bis 9-Jährigen als auch die Gruppe der 15- bis 17-Jährigen, sagte Fischbach. Das Problem dürfe nicht kleingeredet werden. Wer als Kind stark übergewichtig sei, bleibe das oft auch im Erwachsenenalter.

WHO-Nährwertprofil als Grundlage nutzen

Die Bewertung, ob ein Lebensmittel an Kinder beworben werden dürfe, solle auf Grundlage des für diesen Zweck entwickelten Nährwertprofils der WHO erfolgen, sagte die Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), Barbara Bitzer.

Da die Ampel im Koalitionsvertrag ein Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel angekündigt habe, „erwarten wir auch, dass das umgesetzt wird“, betonte Bitzer. Allerdings sei in den vergangenen gut neun Monaten nicht viel passiert in dieser Richtung.

Der DANK gehören eigenen Angaben zufolge 21 medizinische Fachgesellschaften, Verbände und Forschungseinrichtungen an.

Luise Molling von foodwatch wies daraufhin, dass junge Menschen mehr als doppelt so viel Süßigkeiten und nicht mal halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen konsumieren würden. Die Lebensmittelindustrie trage hierbei „mit ihrem aggressiven Junkfood-Marketing eine Mitschuld“.

Eine Milliarde Euro Werbeetat für Süßigkeiten

Allein die Süßwarenindustrie habe vergangenes Jahr eine Milliarde Euro für Werbung ausgegeben – „so viel wie in keinem anderen Jahr zuvor“, rechnete Molling vor. Laut einer Studie der Universität Hamburg schaue jedes Kind zwischen drei und 13 Jahren pro Tag im Schnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel. 92 Prozent der gesamten Werbung, die Kinder wahrnehmen, bezögen sich auf Fast-Food-Produkte, Snacks oder Süßigkeiten.

Dem Bündnis gehe es nicht darum, Werbung generell zu verteufeln. Ziel sei es vielmehr, Kinder besser vor Junkfood zu schützen. Eine Werbebeschränkung entsprechender Produkte müsse, so sie denn komme, „wasserdicht und glasklar“ ausformuliert sein, sonst laufe sie ins Leere. (hom)

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