Pharma-Dialog

Koalition schiebt Biosimilar-Verordnung an

Seit zehn Jahren behandeln Ärzte Patienten mit nicht originalen Biopharmazeutika, den Biosimilars. Nach Abschluss des Pharma- Dialogs zwischen Regierung und Industrie ist klar, dass sich die Politik Einsparpotenziale von dieser Produktgruppe erhofft. Das betrifft auch die Ärzte als Verordner.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Prüfender Blick der Krankenschwester. Biosimilars werden oft als Infusion verabreicht.

Prüfender Blick der Krankenschwester. Biosimilars werden oft als Infusion verabreicht.

© contrastwerkstatt / fotolia.com

BERLIN. Biopharmazeutika spielen in der Versorgung eine wachsende Rolle. 2014 mussten die Kassen für die gentechnisch hergestellten Therapien zum Beispiel auch zur Behandlung der rheumatischen Arthritis oder zur Vermeidung von Neutropenie knapp elf Milliarden Euro ausgeben, bis 2020 könnte diese Summe auf mehr als 16 Milliarden Euro anwachsen.

Insgesamt verordneten die Ärzte im Jahr 2015 ausweislich von Zahlen der Techniker Krankenkasse Arzneimittel im Wert von 40 Milliarden Euro.

Gesetzliche Eingriffe in der Folge des Pharma-Dialogs zwischen Regierung und Industrie sowie in den nächsten Jahren auslaufende Patente auch von Blockbustern könnten den Nachfolgeprodukten von patentfreien Biopharmazeutika, den Biosimilars, mehr Aufmerksamkeit verschaffen.

Die älter werdende Bevölkerung und die damit einhergehende Morbidität zwingen die Gesundheitspolitiker, Effizienzreserven im System zu suchen und zu heben.

Die Hersteller richten sich längst auf eine stärkere Marktdurchdringung der High-Tech-Nachahmerpräparate ein. Ihre Pipelines scheinen gut gefüllt zu sein.

"Wir haben jetzt die Chance durch den Paradigmenwechsel, den die Bundesregierung erkannt hat, Biosimilars wirklich in die Versorgung zu bringen", sagte Dr. Andreas Eberhorn, Vorstand Spezialitäten bei Hexal und Vorsitzender der AG Biosimilars im Branchenverband Pro Generika der "Ärzte Zeitung".

666 Millionen biosimilarfähigen Tagestherapiedosen

Sein Verband hat ausrechnen lassen, dass 2015 von knapp 666 Millionen biosimilarfähigen Tagestherapiedosen lediglich 9,32 Millionen verordnet wurden.

Dabei lassen sich je nach Indikation mit dem Einsatz von Biosimilars gegenüber den Originalen Preisvorteile von zwischen 20 und 60 Prozent erzielen, heißt es beim Branchenverband. "Nach zehn Jahren müssen wir feststellen, dass das Thema Biosimilars noch viel Aufklärung benötigt", sagt Eberhorn.

Die Aufklärung bei den Ärzten will die Regierung nun vorantreiben. Sie sollen "qualifizierte Informationen" über Biosimilars erhalten.

Im Juni wird das Bfarm in einem ersten Schritt mit Experten aus Wissenschaft, Medizin und Industrie auf einer Veranstaltung in Berlin über die Besonderheiten von Biosimilars diskutieren. Ärzte, so der Abschlussbericht des Pharmadialogs, sollen auch im Praxisalltag umfassend zu Biosimilars beraten werden.

Medium könnte das geplante Arzt-Informationssystem sein, über das Ärzten die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung nahegebracht werden sollen. Es könnte auch zu Produkten informieren, die als Nachahmerprodukte das AMNOG nicht durchlaufen müssen.

"Bezahlbarkeit von Innovationen hängt auch davon ab, dass zum Patent-Ablauf ein Wechsel hin zu günstigeren Therapien stattfindet", sagte der Geschäftsführer von Pro Generika der "Ärzte Zeitung". Da könne das Informations-System ein Werkzeug sein.

Regional unterschiedliches Verordnungsverhalten

Ein weiterer im Pharma-Dialog vereinbarter Ansatz sind von den Vertragspartnern zu vereinbarende Steuerungsinstrumente. Regional ist das Verordnungsverhalten der Ärzte auffallend unterschiedlich.

So schwanken die Versorgungsanteile mit Infliximab-Biosimilars zwischen 4,3 Prozent in Thüringen und 26,8 Prozent in Westfalen-Lippe.

Die KVWL gilt als Vorreiterin von Zielvereinbarungen, um die Einsparpotenziale von Biosimilars zu heben. KVen und Kassenverbände sollen nun in allen KV-Regionen prüfen, wie und in welchem Umfang von Zielvereinbarungen Gebrauch gemacht werden kann.

Einschränkungen der Verordnungsfreiheit tauchen nicht im Instrumentenkasten der Politik auf. Auch der Industrievertreter findet dies richtig.

"Die reine Festlegung von Quoten übersieht, dass Ärzte vor allem gut und umfassend über die Chancen von Biosimilars informiert sein müssen" sagt Andreas Eberhorn.

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