Fachkongress in Berlin
Koalition sieht sich bei Pflege auf gutem Weg
Gleich mehrere Vertreter der Bundesregierung ziehen eine positive erste Bilanz der „Konzertierten Aktion Pflege“. Familienministerin Giffey bittet gleichwohl um Geduld. Nicht alles wirke sofort.
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Lobte ausdrücklich das Pflegeberufereformgesetz, das seit Jahresbeginn voll wirksam ist – Bundesfamilienministerin Franziska Giffey.
© Andreas Gora / Springer Pflege
Berlin. Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey hat um ein „bisschen Geduld“ bei der Umsetzung der Ergebnisse der „Konzertierten Aktion Pflege“ (KAP) gebeten. „Wir haben sehr viel gearbeitet“, sagte die SPD-Politikerin zum Auftakt des Fachkongresses „Pflege 2020“ am Freitagvormittag in Berlin. Das heiße freilich nicht, dass jede einzelne Maßnahme für die Pflegebeschäftigten am Patientenbett sofort spürbar werde. „Das ist mir klar.“
Aber man sehe jetzt bereits, „dass es Weichenstellungen gibt, die perspektivisch etwas verändern in der Pflege“. Außerdem sei der von der KAP angestoßene Prozess nicht zu Ende. „Wir arbeiten weiter.“
„Wir haben sehr viel gearbeitet“
Die KAP hatte im Juni vergangenen Jahres zahlreiche Einzelmaßnahmen vorgelegt, um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und den Berufszweig aufzuwerten. Die KAP geht auf eine gemeinsame Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, des Arbeits- und des Familienministeriums zurück.
Ausdrücklich lobte Giffey auch das Pflegeberufereformgesetz, das seit Jahresbeginn voll wirksam ist. Danach müssen Auszubildende künftig kein Schulgeld mehr zahlen. Zudem haben sie Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung, die im ersten Jahr bei rund 1000 Euro liegt und danach nochmals steigt. Jungen Menschen werde so die Botschaft vermittelt, dass sie es sich leisten könnten, eine Pflegeausbildung zu absolvieren. „Das war früher anders.“
27 Bewerber auf 100 Stellen
Wegen der steigenden Zahl von Pflegebedürftigen müssten in Deutschland deutlich mehr Menschen zu Pflegekräften ausgebildet werden, forderte Giffey. Auf 100 Stellen in der Altenpflege kämen derzeit gerade mal 27 Bewerber. „Das heißt, wir müssen richtig ran.“ „Neue Mitarbeiter gewinnen, Beschäftigte halten und jene, die ausgestiegen sind, zurückgewinnen – um diesen Dreiklang geht es“.
Weit über 100.000 Pflegekräfte wollten in ihren angestammten Beruf zurückkehren, sofern die Rahmenbedingungen wieder stimmten, rechnete auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus (CDU), vor. „Wenn dem so ist, dann sollten wir alles daran setzen, sie zurückzuholen.“
Pflegeroboter seien nicht die Lösung, um den wachsenden Personalmangel zu bewältigen. „Pepper kann nicht pflegen.“ Es handele es sich allenfalls um ergänzende Hilfsmittel im Pflegealltag, betonte Westerfellhaus.
Nicht locker lassen wolle er beim geplanten Neuzuschnitt der Aufgaben von Ärzten sowie therapeutischen und pflegerischen Berufen. Es brauche mehr Berufsautonomie für die Pflegeprofession. „Das ist mehr als überfällig.“
„Großes Menschheitsthema“
„Pflege ist eines der großen Menschheitsthemen“, hob der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Björn Böhning (SPD), hervor. Zu guten Arbeitsbedingungen in der Pflege gehöre auch eine „anständige“ Bezahlung. Darauf ziele auch das seit Januar geltende Pflegelöhneverbesserungsgesetz ab. Pflegekräfte sollten nicht mehr nur für ein freundliches Lächeln arbeiten.
Die arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Tack, erklärte in einem Statement zum Pflege-Kongress, mit dem demografischen Wandel werde Pflege zunehmend wichtiger. „Wie wir mit denen umgehen, die auf professionelle Pflege angewiesen sind, sagt eine Menge über unsere Gesellschaft aus.“
Mit dem Pflegelöhnegesetz habe die Koalition „den Grundstein“ für bessere Arbeitsbedingungen gelegt. „Jetzt sind die Sozialpartner am Zug, einen Tarifvertrag für die Pflege auszuhandeln, der dann auf die gesamte Branche in der Bundesrepublik erstreckt wird.“
Pflegerat sieht Krise in Beruf und Versorgung
„Wir haben eine Krise in der Pflege – nicht nur im Beruf, auch in der Versorgung“, machte der Präsident des Deutschen Pflegerats, Franz Wagner, deutlich. Wegen Personalmangels wiesen ambulante Pflegedienste inzwischen pflegende Angehörige zurück, die Unterstützung bei der Pflege suchten. In den Krankenhäusern sei der Mangel nicht weniger zu spüren. „Da werden teilweise ganze Stationen geschlossen.“
Mitunter nähmen Politik und Gesellschaft „billigend“ hin, dass Patienten und Pflegebedürftige nicht gut genug versorgt würden. „Da wird der Mantel des Schweigens darüber gelegt“, sagte Wagner. Die Probleme könnten sich aber noch verschärfen. „Demnächst“ gingen bis zu 400.000 Pflegekräfte in Rente.
Mehr als 1700 Kongressbesucher
An dem bis Samstagabend stattfindenden Fachkongress von Springer Pflege nehmen rund 1.700 Pflegekräfte aus Kliniken, Heimen und ambulanten Pflegediensten und mehr als 100 Referenten teil.