Brief an Gesundheitsminister

Bürgergeld: Kassen fordern Umsetzung des Koalitionsvertrags

Auch 2024 sollen Beitragszahlende für versicherungsfremde Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung aufkommen. Im Vorfeld der Haushaltsberatungen fordern Kassenvertreter mehr Steuergeld.

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Geld und Krankenversicherungskarte

Noch sind die Kassendefizite überschaubar. Der Ausblick auf die kommenden Jahre aber ist düster.

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Berlin. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) schwimmt nicht gerade in Geld. Dennoch soll der Steuerzuschuss im kommenden Jahr wieder auf sein normales Niveau sinken. Das geht aus dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2024 hervor. Mehrere Kassenverbände pochen in einem Brief an den Bundesgesundheitsminister auf die Umsetzung des Koalitionsvertrags und eine Milliardenentlastung der Kassen bei den Beiträgen für Bürgergeldbezieher.

Sie fordern Karl Lauterbach (SPD) auf, spätestens 2024 mit der Umsetzung des Koalitionsvertrags zu beginnen und die Beitragszahlenden von gesamtgesellschaftlichen Kosten zu entlasten. Bereits im Juli hatte der AOK-Bundesverband davor gewarnt, dass die fortgesetzte Belastung der Beitragszahlenden „letztlich den sozialen Frieden“ gefährde. Der Etat des Gesundheitsministeriums soll erstmals am 7. September im Bundestag beraten werden.

Rücksturz auf 14,5 Milliarden Euro

Vorgesehen ist nun, die zwischenzeitlich stark angestiegenen Zuwendungen an die GKV wieder auf das Maß der Vor-Corona-Zeit zu senken. Das wären 14,5 Milliarden Euro. Der ergänzende Zuschuss von zwei Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds soll entfallen, ebenso eine Milliarde Euro des Bundes an den Fonds für Belastungen aufgrund der Pandemie. Nicht mehr vorgesehen seien zudem Ausgaben in Höhe von einer Milliarde Euro für ein überjähriges Darlehen an den Gesundheitsfonds.

Bleibe es dabei, hätten die Kassen weiter eine „strukturelle Finanzierungslücke“, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben von Vorständen von Kassenverbänden, das der Ärzte Zeitung vorliegt. Die Lücke sei zu einem großen Teil auf nicht kostendeckende Beiträge für Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld zurückzuführen.

Ulrike Elsner (vdek), Franz Knieps (BKK), Jürgen Hohnl (IKK) und Bettina am Orde (Knappschaft) verweisen darauf, dass die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag „richtigerweise“ eine Dynamisierung des Bundeszuschusses sowie höhere Beiträge für Bürgergeldbezieher aus Steuermitteln vereinbart hätten. Die Beiträge für Bürgergeldbezieher gelten als versicherungsfremde Leistungen, die eher aus Steuermitteln denn aus Versichertenbeiträgen zu bezahlen seien. Die Höhe wird auf bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr geschätzt.

Weder „sachgerecht noch akzeptabel“

In der bisherigen Haushaltsdebatte, so die Kassenverbandsvorstände, zeichne sich aber ab, dass diese Vereinbarungen auch 2024 nicht umgesetzt würden. Die gesetzlich vorgegebenen Empfehlungen für eine „stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ ließen auf sich warten. Diese hätte Lauterbach ausweislich des Gesetzes zur vorübergehenden Stabilisierung der Kassenfinanzen aus dem Jahr 2022 bis Ende Mai 2023 vorlegen müssen.

„Stattdessen haben Sie wiederholt angekündigt, dass eine Finanzierungslücke in 2024 wohl nur durch eine weitere Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes gedeckt werden könne“, schreiben die Verbandsspitzen. Dies würde bedeuten, dass ein strukturelles und politisch zu verantwortendes Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung über den eigentlich als Preisgestaltungsinstrument der einzelnen Krankenkassen gedachten Zusatzbeitrag finanziert werden müsse. „Das ist weder sachgerecht noch akzeptabel“, heißt es in dem Schreiben mit Blick auf den Wettbewerb der Kassen untereinander.

Ausblick auf defizitäre Jahre

Mehrere Kassenvorstände haben bereits darauf verwiesen, dass das Kassendefizit in 2023 anders als zunächst vorhergesagt wohl eher moderat ausfallen und voraussichtlich in einer Erhöhung der Zusatzbeiträge von zwischen 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten münden werde.

Rosig sind die Aussichten auf die Kassenfinanzen mittelfristig gleichwohl nicht. Das Wissenschaftliche Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung (WIG2) hat im Auftrag der BKV-Interessengemeinschaft Betriebliche Krankenversicherung dazu ein Gutachten erstellt. Demnach könnte die GKV das kommende Jahr mit einem Minus von 14,1 Milliarden Euro abschließen. Ein Jahr später könne das Defizit sogar auf 18 Milliarden Euro steigen.

Die Krankenkassen haben im ersten Quartal des laufenden Jahres ein Defizit von zusammen 162 Millionen Euro ausgewiesen. Diese Entwicklung könnte allerdings vorerst an Dynamik verlieren. Das BKK-System hatte für das erste Halbjahr des Jahres ein Defizit von rund 74 Millionen Euro gemeldet, für das zweite Quartal allerdings nurmehr weitere 38 Millionen. (af)

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