„Falsches Signal“

Lauterbach übernimmt Verantwortung für Zick-Zack-Kurs bei Quarantäneregeln

Als Fehler bezeichnet Gesundheitsminister Lauterbach den Plan, ab Mai die Corona-Infizierten selbst über eine Isolation entscheiden zu lassen. An einen Rücktritt denke er trotz der Kehrtwende „natürlich nicht“.

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Ständig im Scheinwerferlicht: Karl Lauterbach am Dienstag bei der Pressekonferenz, auf der er seinen Sinneswandel bei den Quarantäneregeln erklärte.

Ständig im Scheinwerferlicht: Karl Lauterbach am Dienstag bei der Pressekonferenz, auf der er seinen Sinneswandel bei den Quarantäneregeln erklärte.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin. Das Vorhaben des Bundesgesundheitsministers, ab Mai eine Quarantäne für Corona-Infizierte nur noch auf freiwilliger Basis einzuführen, hat sich buchstäblich als Eintagsfliege entpuppt. Am Montagabend wurde der entsprechende Plan von Professor Karl Lauterbach nach der Videoschalte der Gesundheitsministerkonferenz vermeldet.

Am Dienstagabend in der Talkshow von Markus Lanz kündigte der Minister an, den Vorschlag wieder in der Schublade verschwinden zu lassen. Nach zwei Uhr nachts folgte auf dem Twitter-Account von Lauterbach ein entsprechender Tweet.

Im Laufe des Dienstagnachmittags sei die Entscheidung gefallen, die freiwillige Isolation doch nicht umzusetzen, sagte Lauterbach am Mittwochmittag in einer Pressekonferenz im Ministerium.

Da habe er genug Informationen gesammelt gehabt und Gespräche mit Experten, Wissenschaftlern, Ärzten und auch in den Fraktionen geführt und sei zu der Erkenntnis gekommen: Den unter anderem mit dem Robert Koch-Institut abgestimmten Vorschlag umzusetzen, „wäre ein Fehler geworden“ und hätte das falsche Signal gesendet, dass die Pandemie beendet oder harmlos sei.

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„Nicht stur dabei bleiben“

Lauterbach begründete seinen nächtlichen Tweet damit, dass er den kommunikativen Schaden, der entstanden sei, schnell habe beenden wollen. Auf die Frage, ob er an Rücktritt gedacht habe, antwortete Lauterbach: „Natürlich nicht.“ Seine Vorgehensweise bezeichnete Lauterbach als vorbildlich: „So soll es funktionieren: Wenn Vorschläge nicht funktionieren, muss man sie zurücknehmen und nicht stur dabei bleiben.“

Reaktionen auf Lauterbachs Rückzieher blieben am Mittwoch nicht aus. Kritik gab es besonders an dem Vorgehen des Ministers, seine Entscheidung in einer Talkshow anzukündigen. Ob dieser Weg zur Akzeptanz von Maßnahmen bei den Bürgern beitrage, müsse die Politik beurteilen, schrieb die KBV.

„Auf jeden Fall sollten Maßnahmen klar, verständlich und transparent sein – und nicht tagtäglich durch Ankündigungen wechseln“, wird Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, zitiert.

Talkshow-Abstinenz empfohlen

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte den „Zickzack-Kurs“ bei Corona. Er empfahl Lauterbach eine mehrmonatige Talkshow-Abstinenz. Einen „Kurswechsel in einer Talkshow und nachts auf Twitter zu verkünden, das ist schlechte Kommunikation“ und sei unseriös.

Holetschek sagte, dass nun vernünftige Regeln gefunden werden müssten. Das sollte aber in einem Fachgremium und „nicht vor Fernsehkameras“ erfolgen. Lauterbach kündigte auf der Pressekonferenz an, „in den nächsten Stunden“ den Ländern einen neuen Vorschlag zu Quarantäneregeln vorlegen zu wollen.

Amira Mohamed Ali, Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, bezeichnete Lauterbachs Corona-Politik als Desaster. Das Kommunikationswirrwarr um die Quarantäne reihe sich ein in eine „lange Liste von unverständlichen und realitätsfernen Entscheidungen“, die „mehr von Überforderung zeugen als von politischem Verantwortungsbewusstsein“. (juk)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 07.04.202208:53 Uhr

Natürlich ist es Bestandteil einer vorbildlichen Fehlerkultur, Fehler zuzugeben, nicht sich rauszureden oder gar zu vernebeln und zu vertuschen, wie es die Bundesfamilienministerin Anne Spiegel mit ihrem verheerenden Ahrtal-Katastrophenmanagement getan hat.

Aber wenn einem kapitale Fehler bei der GesundheitsministerInnen-Konferenz (GMK) erst bei einer nächtlichen Talkshow hinterher auffallen, bleibt doch die Frage, an welchem Ort man einfach unkonzentriert, schlampig und fahrig gearbeitet hat?

Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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