Zustimmung und Skepsis
Mehr soziale Hilfen durch allgemeine Dienstpflicht?
Seit sieben Jahren ist die Wehrpflicht schon ausgesetzt. Nun ist eine neue Debatte entbrannt über eine allgemeine Dienstpflicht für alle 18- bis 25-jährigen Bürger, mit der auch mehr Hilfe in sozialen Bereichen verbunden sein könnte. Die Meinung darüber ist sehr geteilt.
Veröffentlicht:BERLIN. Eine von Teilen der CDU angeregte allgemeine Dienstpflicht stößt auf über die Parteien hinweg geteilte Meinungen. Abgeleistet werden soll das Pflichtjahr bei der Bundeswehr – ohne, dass damit der Grundwehrdienst wiederbelebt werden soll. Alternativ solle der Dienst in sozialen und Pflegeeinrichtungen sowie beim Technischen Hilfswerk oder dem Roten Kreuz geleistet werden.
Der Parlamentarische Staatssekretär von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Thomas Gebhart (CDU), sprach sich am Wochenende "klar für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht" aus, wie die FAZ berichtet. Er begründet dies damit, das Gemeinwesen sei darauf angewiesen, dass es ein notwendiges Maß an Identifikation der Bürger mit dem Staat und ein notwendiges Maß an Gemeinsinn gebe.
Als Dienstzeit könnten seiner Ansicht nach auch sechs Monate reichen. Dienstort könne entweder bei der Bundeswehr oder bei einer sozialen Einrichtung in Deutschland oder in einem anderen EU-Land sein. Rückendeckung dafür kommt auch aus der Jungen Union sowie der Mittelstandsvereinigung der Union.
Auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach äußerte sich der FAZ zufolge zustimmend. Er finde den Gedanken "grundsätzlich nicht falsch", sagte er. Durch Abschaffung der Wehrpflicht und damit Wegfall des Zivildienstes fehlten in vielen sozialen Einrichtungen diese Kräfte.
Ebenso zeigte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) der Idee aufgeschlossen. "Eine Dienstpflicht kann dazu beitragen, sowohl die Herausforderungen im Sozialen als auch bei der Verteidigung unseres Landes besser zu bewältigen", sagte er der "Bild"-Zeitung (Montag).
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter wiederum mahnt zur Vorsicht. Ein verpflichtender Gesellschaftsdienst dürfe "weder Arbeitsplätze ersetzen noch stumpfer Selbstzweck sein", gab er in der "Stuttgarter Zeitung" zu bedenken.
SPD-Vize Ralf Stegner ist ebenfalls gegen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht. Er warf dem Koalitionspartner vor, den Personalnotstand in der Pflege auf dem Rücken der jungen Generation zu bekämpfen. "Es geht nicht an, dass junge Menschen das jahrelange Missmanagement von CDU-Ministern in den Bereichen Gesundheit und Verteidigung ausbaden müssen", sagte er dem "Tagesspiegel". Statt eines Zwangsdienstes sollte freiwilliges Engagement gefördert werden.
Auch in der FDP gibt es Befürworter wie Kritiker. Im Gegensatz zu Parteichef Christian Lindner, der eine Dienstpflicht strikt ablehnt, sagte etwa Bremens FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner der "Bild"-Zeitung: "Ich bin persönlich für ein verpflichtendes Jahr, egal ob Wehrpflicht oder soziales Jahr. Es ist wichtig, früh Verantwortung zu übernehmen und zu lernen für andere einzustehen."
Kramp-Karrenbauer: Aufnahme ins CDU-Grundsatzprogramm?
Die Diskussion war aufgekommen, nachdem die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer aus Parteikreisen das Bedauern über das Ende der Wehrpflicht und den Wunsch nach einer ersatzweisen Dienstpflicht mitgebracht hatte. Kramp-Karrenbauer will nun die Frage eines allgemeinen Dienstes, der gleichermaßen für Männer und Frauen offen steht, in die Diskussion für das neue CDU-Grundsatzprogramm einbringen.
Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, sind derzeit 39.000 Freiwillige im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes Einsatz, etwa im sozialen, ökologischen und sonstigen gesellschaftlichen Bereich sowie im Zivil- und Katastrophenschutz.
Nach einer Umfrage des Online-Meinungsforschungsinstituts im Auftrag der "Funke"-Mediengruppe befürworten 55,6 Prozent der Deutschen ein solches Dienstjahr. (dpa/run/HL)
Dieser Beitrag wurde aktualisiert am 6.8.2018 um 16:04 Uhr.
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