Emerging Markets

OTC-Boom in Schwellenländern

Seit fünf Jahren wächst das Geschäft mit Selbstmedikationspräparaten weltweit stärker als der Gesamtpharmamarkt. Der Grund: Ein anhaltender Boom der "Emerging Markets".

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Arzneien in Russland: Wachstumsmärkte lassen OTC boomen.

Arzneien in Russland: Wachstumsmärkte lassen OTC boomen.

© Gennady Shingarev / Fotolia.com

LISSABON. Gäbe es nicht das schlechte Wetter auf der Nordhalbkugel, dann wäre der Verkauf rezeptfreier Arzneimittel in den Industrienationen Europas und Nordamerikas wohl eher rückläufig.

Allein die frei verkäuflichen Präparate gegen Erkältungskrankheiten sorgen in Europa für ein mäßiges Wachstum, in Nordamerika bremsen sie die Marktrückgänge für OTC-Arzneimittel.

Ein Eldorado für die Selbstmedikation sind jedoch die "Emerging Markets", die stark aufstrebenden Märkte der Schwellenländer Südostasiens, Lateinamerikas, Russlands und einiger afrikanischer Länder, erläuterte vor Kurzem der Marktforscher Andy Tisman von IMS Health bei der Jahrestagung des Europäischen Verbandes der Selbstmedikationshersteller (AESGP) in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon.

Zwölf Prozent OTC-Anteil in Europa

Charakteristisch für die reifen Märkte ist deren geringer OTC-Anteil am Gesamtpharmamarkt: Obwohl die Menschen dort über die höchsten Einkommen verfügen, zahlen sie relativ am wenigsten für Arzneien aus eigener Tasche.

So beträgt der OTC-Anteil in Europa zwölf Prozent, in Japan zehn Prozent, in Nordamerika nur fünf Prozent. In den Schwellenländern liegt der OTC-Anteil dagegen bei 20 und mehr Prozent.

Besonders schwierig ist das Geschäft in Nordamerika, vor allem in Kanada geworden. Insgesamt ist der Markt in den USA und Kanada letztes Jahr um 1,4 Prozent geschrumpft, allein Präparate gegen Erkältungskrankheiten verzeichnen noch Wachstum.

Ursächlich für die Rückgänge sind Präparate, die aus dem Markt genommen wurden, sowie Patentabläufe, deren generischer Wettbewerb und somit ein harter Preiswettbewerb folgte.

Positive Entwicklung in Frankreich

Etwas besser sieht es in Europa aus: Um 5,7 Prozent ist der OTC-Markt 2012 gewachsen, überproportional haben dazu Mittel gegen Erkältungskrankheiten, vor allem in Deutschland und Österreich, beigetragen.

Das erste Mal seit langem hat sich der OTC-Markt in Frankreich wieder positiv entwickelt. Dagegen leiden die Märkte in Spanien, Italien, Griechenland und Portugal unter der andauernden Konjunkturkrise.

Das heißt: Das Geschäft mit der Gesundheit ist, wenn es aus eigener Tasche finanziert werden muss, keineswegs krisensicher.

Ganz anders sieht die Entwicklung in den Schwellenländern aus: Seit Jahren wird hier beachtliches zweistelliges Wachstum mit Selbstmedikations-Arzneien erzielt.

Das liegt auch daran, so Tisman, dass in den meisten dieser Länder die Hürden für die Erstattung durch Sozialversicherungen oder staatliche Gesundheitssysteme deutlich höher liegen als in den reifen Märkten Westeuropas und Nordamerikas.

Schwellenländer schreiten voran

Der bedeutendste Wachstumsmarkt in Europa ist seit Jahren Russland: 2012 legte der Umsatz mit OTC-Präparaten um 15 Prozent zu, in den vergangenen drei Jahren waren es im Schnitt rund zwölf Prozent.

Ähnlich florierend verläuft das Geschäft in Polen sowie in den baltischen Staaten; all diese Länder haben die Wirtschafts- und Finanzkrise durch eigene massive Anstrengungen rasch überwunden.

Neben starken regionalen Anbietern sind in diesen Märkten praktisch alle weltweit führenden Pharmaunternehmen stark engagiert: Novartis, Bayer, Sanofi, GSK.

Eine bemerkenswerte Besonderheit weist dabei der südostasiatische Markt auf: Einerseits das seit Jahren stagnierende Japan, andererseits China mit "fantastischen zweistelligen Zuwachsraten", so Tisman.

Aber ein Selbstläufer ist das Wachstum auch in China nicht: Den global agierenden Unternehmen stehen einerseits starke regionale Anbieter gegenüber. Andererseits müssen sich die Unternehmen auf spezielle medizinische Paradigmen wie traditionelle chinesische Medizin einstellen.

Sie ist für manche internationale Unternehmen zum Forschungsgegenstand geworden, oder man sucht, wie Tisman berichtet, Kooperationen mit chinesischen Unternehmen.

85 Milliarden Euro betrug 2012 das Volumen des weltweiten Selbstmedikationsmarktes; das sind 11,4 Prozent des gesamten Weltpharmamarktes. Seit Jahren wächst nach Angaben von IMS Health das OTC-Geschäft überproportional, zuletzt um 4,6 Prozent im Vergleich zu 2,6 Prozent im Gesamtmarkt.

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