Kongress der Rheumatologen

Ökonom Wasem: Kostenanstieg in der GKV muss gebremst werden

Nach der Bundestagswahl wird die neue Regierung zügig Maßnahmen zur Kostendämpfung in der GKV beschließen, ist Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem überzeugt. Daran sei aber nicht die Pandemie schuld.

Anke ThomasVon Anke Thomas Veröffentlicht:
Wie werden sich die GKV-Finanzen entwickeln? Darüber diskutierte Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem bei der Eröffnungsveranstaltung des 16. Kongresses des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen mit Ärzten.

Wie werden sich die GKV-Finanzen entwickeln? Darüber diskutierte unter anderen Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem (oben rechts) bei der Eröffnungsveranstaltung des 16. Kongresses des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen mit Ärzten.

© Screenshot BDRh

Neu-Isenburg. Mit der Vermutung vieler, dass die Pandemie die gesetzliche Krankenversicherung finanziell in die Knie zwingen könnte, räumte Gesundheitsökonom Professor Dr. Jürgen Wasem am Freitag bei der Eröffnung des 16. Kongresses des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen (BDRh) auf. Vielmehr seien die Ausgabensteigerungen beziehungsweise Finanzierungslücken auf die letzte Gesundheitsreform zurückzuführen, erläuterte Wasem, der den Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen inne hat.

Dabei versuche Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) „rhetorisch meisterhaft“ immer wieder, hohe Ausgaben und Finanzierungslücken in der GKV auf Corona zu schieben, „ich glaube aber nicht, dass das so richtig ist“, erklärte Wasem.

Einschnitte nach der Wahl

Zwar habe die Pandemie tatsächlich hohe Kosten verursacht. Dennoch seien die Rettungsschirme in Höhe von 12 Milliarden Euro, die über den Gesundheitsfonds finanziert wurden, größtenteils durch Zuwendungen des Finanzministers in Höhe von zehn Milliarden Euro an eben diesen Fonds wieder ausgeglichen worden. Richtig sei auch, dass die Einnahmen der Kassen etwa wegen Kurzarbeit nicht wie geplant gestiegen seien, andererseits seien aber auch die Ausgaben wegen geringerer Inanspruchnahme (weniger Präventionsleistungen, Verschieben von Operationen) geringer gewesen.

Grundsätzlich seien – unabhängig von der Pandemie – die opulenten Jahre der Gesundheitspolitik vorbei, zeigt sich Wasem überzeugt. Während die große Koalition 2021 durch einen Bundeszuschuss von fünf Milliarden Euro sowie die erzwungene Auflösung von acht Milliarden Euro der Kassenreserven bislang um eine Reform der GKV-Finanzierung herumgekommen sei, werde dies 2022 nicht mehr funktionieren, ist sich der Ökonom sicher.

Wasem prognostizierte eine Lücke von 19 Milliarden Euro. Um diese zu schließen, müsste der Zusatzbeitrag zu den gesetzlichen Krankenkassen auf 2,5 Prozent erhöht werden, rechnete er vor. „Das aber wäre tödlich für die Wirtschaft.“

Kosten dämpfen, aber wie?

Deshalb, so Wasem, wird die neue Bundesregierung sehr schnell Kostendämpfungsmaßnahmen beschließen. Die Instrumente, die zur Verfügung stehen, seien altbekannt, teils vielfach diskutiert oder auch schon erprobt.

Denkbar wären etwa die Zahlung basiswirksamer Bundeszuschüsse, die Einführung einer Bürgerversicherung, die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, die beitragswirksame Einbeziehung von Kapitaleinkünften, eine Neuordnung der Familienversicherung, eine Erhöhung der Selbstbeteiligung. Einfach und schnell könnte aber auch bei den Leistungserbringern eingespart werden (Budgets, Begrenzung bei der Gesamtvergütung, Erhöhung der Zwangsrabatte etc.).

Es gäbe aber sicher auch intelligente Alternativen, wie etwa die Einführung einer sektorübergreifenden Bedarfsplanung. Allerdings, so Wasem, brauchen solche Maßnahmen Zeit, um zu wirken.

Könnte auch die Digitalisierung helfen, wollte Professor Dr. Christoph Fiehn, Co-BDRh-Kongresspräsident, wissen. Die Digitalisierung hat laut Wasem im Gesundheitswesen durchaus an Fahrt aufgenommen. Dafür, ob dadurch Kosten eingespart werden können, gebe es jedoch noch keine Daten, meinte er.

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