27 Jahre Deutsche Einheit

Ost und West wachsen zusammen – doch Gräben bleiben

Die Wirtschaftskraft im Osten bleibt auch 27 Jahre nach der Vollendung der Einheit hinter der der alten Länder zurück. Allein bei der Lebenserwartung gibt es kein Gefälle.

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Die Wirtschaftskraft hinkt auch nach 27 Jahren in Ostdeutschland noch teilweise dem Westen hinterher. Lebenserwartung und Sterblichkeit sind im Großen und Ganzen hingegen inzwischen gleich.

Die Wirtschaftskraft hinkt auch nach 27 Jahren in Ostdeutschland noch teilweise dem Westen hinterher. Lebenserwartung und Sterblichkeit sind im Großen und Ganzen hingegen inzwischen gleich.

© Dieter Pregizer / stock.adobe.com

NEU-ISENBURG. In den vergangenen Jahren hat sich wirtschaftlich durchaus viel getan in den ostdeutschen Bundesländern. Die Arbeitslosenquote ist von phasenweise über 18 Prozent (2005) auf 7,1, Prozent in 2017 gesunken. Im Vergleichszeitraum entwickelte sie sich nach einer Auswertung in der FAZ im Westen von knapp zehn Prozent auf aktuell 5,1 Prozent. Die Produktivität (BIP je Erwerbstätigen) stieg danach seit 1991 von 15.800 Tausend Euro kontinuierlich auf 57.200 Euro im Osten. In Westdeutschland wuchs die Produktivität von 46.000 Euro auf 72.500 Euro an. Wirtschaftsinstitute wie das Institut der deutschen Wirtschaft und das Ifo-Institut beklagen allerdings eine Stagnation der Annäherung.

Bericht der Bundesregierung

Auch in dem Anfang September von der Bundesregierung vorgelegten neuen Bericht zum Stand der Deutschen Einheit werden manche Unterschiede deutlich. Als ein Grund dafür, dass der Osten bei der Wirtschaftskraft dem Westen hinterherhinke, werden vor allem die "Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft und ein Mangel an Konzernzentralen großer Unternehmen" genannt. So ist keine ostdeutsche Firma im Dax-30 notiert. Dabei haben sich gerade in ostdeutschen Städten wie Dresden, Jena oder Leipzig durchaus zukunftsorientierte Branchen angesiedelt – etwa aus der Medizintechnik, Biotechnologie und der Digitalisierung.

Zugleich wird konstatiert, dass die neuen Länder angesichts der demografischen Entwicklung vor besonderen Strukturproblemen stehen. Denn das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist höher als im Westen und die Versorgungssituation angesichts weniger Ballungsräume anders als in den alten Ländern. In den Flächenländern im Westen betrug der Anteil der über 65-Jährigen zuletzt 20,6 Prozent (ohne Stadtstaaten), im Osten lag dieser Wert bei 24,4 Prozent. Diese Entwicklung könnte für einen Rückgang des BIP im Osten sorgen, fürchten Experten.

Frauen haben in Ost und West die gleiche Lebenserwartung

Bei der Lebenswartung, die als Marker für die Lebensbedingungen der Menschen gilt, findet sich hingegen eine andere Verteilung. Hier hat sich die geschlechtsspezifische Lebenserwartung nach dem Bericht der Bundesregierung in Ost- und Westdeutschland inzwischen angenähert. Frauen leben in beiden Regionen Deutschlands mittlerweile gleich lang (alte Länder: 83,06 Jahre; neue Länder: 83,05 Jahre). Bei den Männern hat die Lebenserwartung mit 77,07 Jahren in den neuen Ländern das Niveau in den alten Ländern mit 78,44 Jahren noch nicht ganz erreicht. Markante Unterschiede finden sich eher an anderen Stellen. So gibt es zum Beispiel in der Südpfalz nahe der französischen Grenze in Pirmasens die schlechtesten Zahlen zur Lebenserwartung mit nur 73 Jahren bei den Männern und 77 Jahren bei den Frauen.

Auch die Sterblichkeit in Ost- und Westdeutschland hat sich bei den Frauen ebenfalls angeglichen und bei den Männern angenähert – als ein Grund für die Angleichung wird in dem Bericht der Rückgang bei der Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen genannt.

Herausforderung medizinische Versorgung auf dem Land

Zugleich wird auf die Herausforderungen hingewiesen, eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung gerade auch in den neuen Bundesländern sicherzustellen, unter anderem durch den Einsatz von Telemedizin. Beispiele: Im Projekt "HerzEffekt MV" sollen chronisch herzkranke Patientinnen und Patienten mit leichten bis schweren Symptomen in Mecklenburg-Vorpommern einen wohnortnahen Zugang zu spezialisierter Medizin mit Hilfe eines telemedizinisch basierten "Care-Centers" erhalten.

Mit dem Projekt "LandRettung" soll die Notfall-Versorgung neu aufgestellt und so gesichert werden.

Im ANNOTeM-Netzwerk soll zur Verbesserung der akutneurologischen Versorgung in den beiden Flächenländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern das bewährte Konzept der telemedizinischen Zentren für Schlaganfall auf weitere neurologische Notfallerkrankungen, z. B. epileptische Anfälle, ausgeweitet werden. (run)

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