Patientenbegleiter: Scharnier zwischen Arzt und chronisch Kranken

Dass Selektivverträge die Versorgung verbessern und zugleich Kosten senken können, wird oft behauptet - aber so gut wie nie belegt. Die Bosch BKK hat ihre Erfahrungen mit regionalen Integrationsverträgen auswerten lassen. Am Dienstag werden die Ergebnisse offiziell vorgestellt.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

STUTTGART. Patientenbegleiter als ein Scharnier zwischen Hausärzten und schwer und chronisch kranken Versicherten zahlen sich aus: Sie tragen dazu bei, die Versorgung zu verbessern und sie helfen, Leistungsausgaben der Kassen zu senken. Das ist Ergebnis einer Evaluation von Selektivverträgen der Bosch BKK.

Die Kasse mit rund 200 000 Versicherten stellt die Expertise, die Wissenschaftler der FH Mainz und des Centrums für angewandte Wirkungsforschung (CAW) in der IKJ ProQualitas GmbH erarbeitet haben, heute in Berlin der Öffentlichkeit vor.

Die Bosch BKK hat vor mehreren Jahren im Oberallgäu angefangen, Patientenbegleiter zunächst ohne vertragliche Regelung zu erproben. Aufgabe dieser Kassen-Mitarbeiter ist es, die medizinische und häusliche Versorgung von schwer kranken Versicherten zu koordinieren.

Sie sollen einen reibungslosen Übergang vom Krankenhaus in die ambulante Versorgung ermöglichen und Ärzte von organisatorischen Aufgaben entlasten. Es gehe darum, "Hilfsnetze um schwerkranke Versicherte herum zu entwickeln", erläutert Kassen-Vorstand Bernhard Mohr der "Ärzte Zeitung". Damals habe sich angedeutet, "dass sich dieses Vorgehen rechnet".

Keimzelle der Bosch BKK war das Oberallgäu, wo die Kasse in einer Region mit etwa 75 000 Einwohnern rund 20 Prozent der Bevölkerung versichert. Die Ansätze einer hausarztzentrierten Versorgung wurden ab 2007 im Rahmen von Integrationsverträgen überall dort ausgebaut, wo die Kasse schwerpunktmäßig Versicherte hat. "Am Ende dieses Prozesses haben sich in diesen Regionen 50 000 Versicherte und 2400 Ärzte eingeschrieben", berichtet Mohr.

Basis der Evaluationsstudie zur Patientenbegleitung waren 1064 Versicherte mit Krebs, Herzerkrankung oder Schlaganfall sowie Versicherte über 75 Jahren mit einem erhöhten Betreuungsbedarf. Parallel wurde eine gleich zusammengesetzte Kontrollgruppe gebildet, in der keine Patientenbegleiter eingesetzt wurden.

Die Daten sind eindeutig: In der Startphase der IV-Verträge entstehen Anlaufkosten, so dass die gesamten Leistungsausgaben im ersten halben Jahr höher sind als in der Gruppe ohne Patientenbegleiter. Doch das Blatt wendet sich schon nach einem drei Viertel Jahr.

Dann liegen die Gesamtkosten je Versichertem in der Regelversorgung bei über 13 400 Euro. In der Gruppe der Versicherten, bei der ein Patientenbegleiter die Versorgung koordiniert, sind es knapp 9700 Euro. Insgesamt hat die Kasse Einsparungen von 28 Prozent im Vergleich zur Regelversorgung ermittelt.

Bei den befragten Hausärzten kommen die Patientenbegleiter gut an, berichtet Mohr. "70 Prozent haben mit Ja geantwortet, dass sie Bedarf für die Patientenbegleiter sehen. 22,5 Prozent sagen ‚überwiegend ja‘", zitiert Mohr Ergebnisse der Evaluationsstudie. Lediglich fünf Prozent der Ärzte würden Patientenbegleiter ablehnen.

Als eine Erfolgsbedingung des Modells sieht Mohr, dass die Bürokratie sehr schlank gehalten wurde. Es habe nur ein Abrechnungsformular gegeben, "auf dem sich der Patient eingeschrieben und der Arzt abgerechnet hat", so Mohr.

Die Integrationsverträge seien mittlerweile durch die von der Bosch BKK freiwillig geschlossenen Hausarztverträge obsolet geworden. Mit den Ärzteverbänden sei die Kasse aber im Gespräch, die in den IV-Verträgen erprobten Elemente weiterzuführen.

Das könne beispielsweise in Vertragsmodulen nach Paragraf 73 c SGB V geschehen, die an den Hausarztvertrag angedockt werden. Mohr hofft, dass diese Vereinbarungen, in denen der Patientenbegleiter verankert werden soll, "Anfang 2011 an den Start gehen".

Lesen Sie dazu auch das Interview: "Wir haben in Abstimmung mit Hausärzten Lücken gefüllt"

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